Di., 13.03.2018 , 09:33 Uhr

Immer mehr Bedarf an Paarberatung

Die Nachfrage bei Paar- und Eheberatungsstellen in Bayern steigt – sowohl in kirchlichen als auch in unabhängigen Einrichtungen. Das hat auch gesellschaftliche Gründe: Denn Druck und Stress von außen tun auch der Partnerschaft nicht gut.

 

Selbstzweifel, der Spagat zwischen Familie und Beruf und zunehmender Druck am Arbeitsplatz – das sind Faktoren, die immer mehr Beziehungen kriseln lassen. Bei manchen Paaren sind die Konflikte so gravierend, dass sie es ohne professionelle Hilfe nicht mehr aus der Misere schaffen. Das bemerken vor allem die Beratungsstellen im Freistaat – denn die Nachfrage nach Paar- und Eheberatungen nimmt zu.

 

«Es ist zu erwarten, dass die Zahlen noch mehr steigen, weil wir in unserer Gesellschaft immer größeren Herausforderungen ausgesetzt sind», sagt Sprecher Johannes Minkus von der evangelischen Kirche in Bayern. Im vergangenen Jahr suchten mehr als 3200 Menschen deren Beratungsstellen im ganzen Freistaat auf – etwa die Hälfte der Paare wartete dabei 4 bis 12 Wochen auf einen Termin. In den Gesprächen gehe es dann meist um die Themen Partnerschaft, Trennung und Scheidung, sagt Minkus.

 

«Grundsätzlich wird deutlich: eine Partnerschaft ist an und für sich eine nicht immer einfache Aufgabe, die durch die gesellschaftlichen Veränderungen noch erschwert wird.» Heute seien Frauen auch finanziell nicht mehr so abhängig von Männern wie noch vor einigen Jahren. Gleichzeitig steige der Druck auf Frauen aufgrund der Doppelbelastung von Beruf und Kindern. «Die Digitalisierung und die Veränderung der Arbeitswelt spielen ebenfalls eine Rolle, genauso wie die geforderte Flexibilität am Arbeitsplatz», sagt Minkus. Zudem trage ein weiterer Aspekt zur wachsenden Nachfrage bei: «Die Menschen sind heute eher bereit, sich Hilfe zu suchen, wenn sie alleine nicht mehr weiterkommen. Die Gesellschaft hat sich hier verändert.» Trotz Spielraum nach oben seien Paarprobleme kein Tabuthema mehr.

 

Diese Beobachtung machen auch die Berater in den Einrichtungen der katholischen Kirche. Für Paare sei es selbstverständlicher geworden, sich bei Problemen Hilfe zu holen, sagt Bettina Göbner von der Erzdiözese München und Freising. «Die Paare sind offener dafür und auch eher dazu bereit.» Generell merke man auch hier einen leichten Anstieg der Nachfrage. So suchten im vergangenen Jahr in etwa 3700 Fällen Menschen professionelle Hilfe bei der Ehe-, Paar- und auch der Lebensberatung – rund 100 mehr als 2016. Häufig gehe es in den Gesprächen um die Bewältigung kritischer Lebensereignisse, Selbstzweifel und auch verschiedene Kommunikationsprobleme innerhalb der Partnerschaft.

 

Allerdings befänden sich die Paare je nach Alter auch in anderen Lebensphasen, wodurch sich schließlich unterschiedliche Problemfelder ergeben, sagt Göbner. Beispiele seien dabei etwa die Geburt des ersten Kindes, der Umgang des Paares miteinander, wenn der Nachwuchs aus dem Haus ist oder auch der Übergang in die Rente.

 

«Heute gibt es auch bis ins hohe Alter alle Themen, mit denen auch die jüngeren Menschen zu tun haben», sagt Minkus. Auch wenn es im Alter zunehmend um die Themen Tod, Einsamkeit oder körperliche Beschwerden gehe, sei die Generation 50 plus nicht mehr vergleichbar mit der unserer Großeltern. «Oft sind die Menschen topfit bis ins hohe Alter.» So seien auch mehrere Partnerschaften über eine Lebenszeit keine Seltenheit mehr.

 

«Das Altersspektrum erweitert sich seit den letzten Jahren auch hin zu älteren Paaren», sagt Christian Reisenberg von Pro Familia München. «Die meisten Paare kommen aber immer noch in der Phase der Familiengründung.» So seien hier vor allem Bindungsprobleme und auch die Vereinbarkeit von Familiengründung und Berufsleben Thema. Der Beratungsstellenverbund konnte in den vergangenen Jahren in Bayern ebenfalls eine wachsende Nachfrage feststellen. Häufige Gründe seien etwa die Untreue des Partners, psychische Probleme, aber auch Konflikte hinsichtlich der Kindererziehung – insbesondere bei Themen wie Grenzen-Setzen, Fragen des Medienkonsums oder die Förderung der Selbstständigkeit beim Lernen. «Wir beobachten hier eine zunehmende Verunsicherung der sogenannten Helikoptereltern», sagt Reisenberg. Konfliktpotenzial gebe es zudem auch innerhalb von Patchwork-Familien, gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern aus früheren Beziehungen oder Paaren mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund. «Manche Situationen bringen Mütter, Väter und auch die Kinder und Jugendlichen an ihre Grenzen. Dann ist es schwierig, aus eigener Kraft Lösungen zu finden.»

 

Katrin Kretzmann, dpa

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