Mo., 16.03.2015 , 11:06 Uhr

Pollen in den lauen Lüften - Frühling nicht nur reine Wonne

Vögel zwitschern, Blumen sprießen, Cafés stellen Tische und Stühle hinaus. Pollen fliegen durch die Lüfte – Frühling. Schön – und schrecklich. Denn diese Jahreszeit hat nicht nur angenehme Seiten.

 

München  – Dichter haben ihn besungen. Die Menschen sehnen ihn herbei. Die Gefühle spielen verrückt. Und sogar der Arbeitsmarkt erholt sich. Frühling. Wie wunderbar. Aber nicht nur. Es gibt ein paar unangenehme Nebenwirkungen.

 

Frühjahrsmüdigkeit

 

Die Natur erwacht – aber der Mensch will schlafen. Viele fühlen sich schlapp – obwohl draußen die Sonne lockt. Frauen sollen etwas öfter betroffen sein als Männer. Der Körper braucht Kraft für die Umstellung auf wärmere Temperaturen, mehr Licht – und vor allem mehr Aktivität. Der Grundumsatz fährt hoch. Das kostet Energie. Zugleich ist der Spiegel des Hormons Serotonin noch niedrig. Wirklich erforscht ist das Müdigkeitsphänomen nicht. „Warum sollte man das auch untersuchen – es ist ja keine Krankheit“, sagt Dieter Kunz, Chefarzt der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin am St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin. Im Gegenteil: „Wer frühjahrsmüde ist, sollte sich freuen.“ Denn bei ihm funktioniere noch das System an inneren Uhren mit Sommer- und Winter-Rhythmus.

 

 

Frühjahrsdepression

 

Sonne, Blumen, fröhliche Menschen – und gerade jetzt verfallen einige in Trübsal. «Alles nervt tierisch, und besonders die glücklichen Gesichter ringsum», schreibt ein Betroffener ratlos im Internet. Ein anderer: «Bin einfach die ganze Zeit traurig und schlecht gelaunt.» Auch hier ringen Körper und Psyche mit der Umstellung. «Es sind ganz viele kleine Rädchen, die sich umstellen müssen. Es ist Sand im Uhrwerk – und da knirscht es», sagt Kunz. Um eine echte Depression handelt es sich meist nicht. Hausmittel: Licht und frische Luft – am besten gleich morgens bei einem Spaziergang.

 

 

 

Heuschnupfen

 

Es grünt und blüht – und viele Menschen niesen. 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung leiden an Heuschnupfen, sagt der Allergologe Ulf Darsow von der Technischen Universität München. Die „Saison“ ist schon in vollem Gange. „Die Haselpollen fliegen – und zwar erheblich. Gerade an den wärmeren Tagen führt das zu Beschwerden.“ Als nächstes sind Erle und Birke dran; dann folgen Weide und Ulme. Das Problem könnte sich verschärfen. „Der Klimawandel kann Blühzeiten verlängern und einander annähern.“

 

 

Sommerzeit

 

Eine Stunde länger hell. Sommerzeit. Wunderbar. Aber manche trifft der Mini-Jetlag hart: Patienten, die extrem pünktlich Medikamente nehmen müssen. Schichtarbeiter, die ohnehin unter Unregelmäßigkeit leiden. Nachteulen, die nun früher aus den Federn müssen. Kühe, die im Melkrhythmus durcheinanderkommen. Das Vieh wird heute jedoch sanft umgewöhnt. „Milchviehbetriebe und Rinderhalter sind dazu übergegangen, in Fünf-Minuten-Schritten früher zum Melken zu gehen, damit ein fließender Übergang stattfindet“, sagt Markus Peters vom Bayerischen Bauernverband.

 

Autobahn 

Der Winter hat im Asphalt Schlaglöcher und Risse hinterlassen. Im Frühjahr büßen die Autofahrer dafür: Mit dem Ende der Frostperiode rücken die Bautrupps an. Baustellen. Einspurige Fahrbahnen. Staus. Immerhin, die Bauerei belebt den Arbeitsmarkt.

 

 

 

Kleiderschrank

 

Die winterblassen Arme und Beine vertragen noch nichts Kurzes. Aber es kommt schlimmer. Die schicke Bluse vom Vorjahr, die knappen Shorts, der figurbetonte Röhrenrock – passen nicht mehr. Winterspeck. Die Verzweiflung treibt manchen zum Shoppen – auf der Suche nach einer Nummer größer. Das tut wenigstens dem Handel gut.

 

 

Frühlingsgefühle

 

Frühling – die Zeit zum Flirten und Verlieben. Ein Grund: Hormone. Das Glückshormon Serotonin wird stärker produziert. Und bei Männern steigt der Testosteron-Spiegel. Im Frühling und Sommer sei er bis zu 15 Prozent höher, sagt der Chronobiologe Alexander Lerchl von der Jacobs-University in Bremen. Dazu kommt die Psyche: „Die Menschen reagieren nach wie vor, wenn das andere Geschlecht weniger anhat.“ Bis in die 1970er-Jahre wurden im Mai und Juni die meisten Kinder gezeugt. Menschheitsgeschichtlich günstig, denn sie kamen zum Frühling zur Welt – „und das war früher die beste Zeit, um Kinder großzuziehen.“ Heute liege der Zeugungspeak im Dezember – weil er viele Festtage hat und so Zeit und Muße bietet. Sogar auf die Frühlingsgefühle ist also nicht mehr unbedingt Verlass.

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