Fr, 25.04.2014 , 16:30 Uhr

Ottfried Fischer mit Medaille "München leuchtet" ausgezeichnet

Der Kabarettist und Schauspieler Ottfried Fischer hat vom noch amtierenden Oberbürgermeister Christian Ude die Auszeichnung „München leuchtet – den Freundinnen und Freunden der Stadt“ in Gold erhalten.

Die Medaille trägt ihren Namen wegen dieses Textes über München von Thomas Mann.

Muenchen leuchtete.

Ueber den festlichen Plaetzen und weissen Saeulentempeln, den antikisierenden Monumenten und Barockkirchen, den springenden Brunnen, Palaesten und Gartenanlagen der Residenz spannte sich strahlend ein Himmel von blauer Seide, und ihre breiten und lichten, umgruenten und wohlberechneten Perspektiven lagen in dem Sonnendunst eines ersten, schoenen Junitages. Vogelgeschwaetz und heimlicher Jubel ueber allen Gassen. …

Und auf Plaetzen und Zeilen rollt, wallt und summt das unueberstuerzte und amuesante Treiben der schoenen und gemaechlichen Stadt. Reisende aller Nationen kutschieren in den kleinen, langsamen Droschken umher, indem sie rechts und links in wahlloser Neugier an den Waenden der Haeuser hinaufschauen, und steigen die Freitreppen der Museen hinan…

Viele Fenster stehen geoeffnet, und aus vielen klingt Musik auf die Strassen hinaus, Uebungen auf dem Klavier, der Geige oder dem Violoncell, redliche und wohlgemeinte dilettantische Bemuehungen.

Im ‚Odeon‘ aber wird, wie man vernimmt, an mehreren Fluegeln ernstlich studiert. Junge Leute, die das Nothung-Motiv pfeifen und abends die Hintergruende des modernen Schauspielhauses fuellen, wandern, literarische Zeitschriften in den Seitentaschen ihrer Jacketts, in der Universitaet und der Staatsbibliothek aus und ein.

Vor der Akademie der bildenden Kuenste, die ihre weissen Arme zwischen der Tuerkenstrasse und dem Siegestor ausbreitet, haelt eine Hofkarosse. Und auf der Hoehe der Rampe stehen, sitzen und lagern in farbigen Gruppen die Modelle, pittoreske Greise, Kinder und Frauen in der Tracht der Albaner Berge. Laessigkeit und hastloses Schlendern in all den langen Strassenzuegen des Nordens…

Man ist von Erwerbsgier nicht gerade gehetzt und verzehrt dortselbst, sondern lebt angenehmen Zwecken. Junge Kuenstler, runde Huetchen auf den Hinterkoepfen, mit lockeren Krawatten und ohne Stock, unbesorgte Gesellen, die ihren Mietzins mit Farbenskizzen bezahlen, gehen spazieren, um diesen hellblauen Vormittag auf ihre Stimmung wirken zu lassen, und sehen den kleinen Maedchen nach, diesem huebschen, untersetzten Typus mit den bruenetten Haarbandeaux, den etwas zu grossen Fuessen und den unbedenklichen Sitten.

…Jedes fuenfte Haus laesst Atelierfensterscheiben in der Sonne blinken. Manchmal tritt ein Kunstbau aus der Reihe der buergerlichen hervor, das Werk eines phantasievollen jungen Architekten, breit und flachbogig, mit bizarrer Ornamentik, voll Witz und Stil. Und ploetzlich ist irgendwo die Tuer an einer allzu langweiligen Fassade von einer kecken Improvisation umrahmt, von fliessenden Linien und sonnigen Farben, Bacchanten, Nixen, rosigen Nacktheiten… Es ist stets aufs neue ergoetzlich, vor den Auslagen der Kunstschreinereien und der Basare fuer moderne Luxusartikel zu verweilen. Wieviel phantasievoller Komfort, wieviel linearer Humor in der Gestalt aller Dinge! Ueberall sind die kleinen Skulptur-, Rahmen- und Antiquitaetenhandlungen verstreut, aus deren Schaufenstern dir die Buesten der florentinischen Quattrocento-Frauen voll einer edlen Pikanterie entgegenschauen. Und der Besitzer des kleinsten und billigsten dieser Laeden spricht dir von Donatello und Mino da Fiesole, als habe er das Vervielfaeltigungsrecht von ihnen persoenlich empfangen…

Aber dort oben am Odeonsplatz, angesichts der gewaltigen Loggia, vor der sich die geraeumige Mosaikflaeche ausbreitet, und schraeg gegenueber dem Palast des Regenten draengen sich die Leute um die breiten Fenster und Schaukaesten des grossen Kunstmagazins, des weitlaeufigen Schoenheitsgeschaeftes von M. Bluethenzweig. Welche freudige Pracht der Auslage! Reproduktionen von Meisterwerken aus allen Galerien der Erde, eingefasst in kostbare, raffiniert getoente und ornamentierte Rahmen in einem Geschmack von prezioeser Einfachheit; Abbildungen moderner Gemaelde, sinnenfroher Phantasieen, in denen die Antike auf eine humorvolle und realistische Weise wiedergeboren zu sein scheint; die Plastik der Renaissance in vollendeten Abguessen; nackte Bronzeleiber und zerbrechliche Zierglaeser; irdene Vasen von steilem Stil, die aus Baedern von Metalldaempfen in einem schillernden Farbenmantel hervorgegangen sind; Prachtbaende, Triumphe der neuen Ausstattungskunst, Werke modischer Lyriker, gehuellt in einen dekorativen und vornehmen Prunk; dazwischen die Portraets von Kuenstlern, Musikern, Philosophen, Schauspielern, Dichtern, der Volksneugier nach Persoenlichem ausgehaengt… In dem ersten Fenster, der anstossenden Buchhandlung zunaechst, steht auf einer Staffelei ein grosses Bild, vor dem die Menge sich staut: eine wertvolle, in rotbraunem Tone ausgefuehrte Photographie in breitem, altgoldenem Rahmen, ein aufsehenerregendes Stueck, eine Nachbildung des Clous der grossen internationalen Ausstellung des Jahres, zu deren Besuch an den Litfasssaeulen, zwischen Konzertprospekten und kuenstlerisch ausgestatteten Empfehlungen von Toilettenmitteln, archaisierende und wirksame Plakate einladen. Blick um dich, sich in die Fenster der Buchlaeden. Deinen Augen begegnen Titel wie ‚Die Wohnungskunst seit der Renaissance‘, ‚Die Erziehung des Farbensinnes‘, ‚Die Renaissance im modernen Kunstgewerbe‘, ‚Das Buch als Kunstwerk‘, ‚Die dekorative Kunst‘, ‚Der Hunger nach Kunst‘–und du musst wissen, dass diese Weckschriften tausendfach gekauft und gelesen werden, und dass abends ueber ebendieselben Gegenstaende vor vollen Saelen geredet wird… Hast du Glueck, so begegnet dir eine der beruehmten Frauen in Person, die man durch das Medium der Kunst zu schauen gewohnt ist, eine jener reichen und schoenen Damen von kuenstlich hergestelltem tizianischen Blond und im Brillantenschmuck, deren betoerenden Zuegen durch die Hand eines genialen Portraetisten die Ewigkeit zuteil geworden ist, und von deren Liebesleben die Stadt spricht–Koeniginnen der Kuenstlerfeste im Karneval, ein wenig geschminkt, ein wenig gemalt, voll einer edlen Pikanterie, gefallsuechtig und anbetungswuerdig. Und sieh, dort faehrt ein grosser Maler mit seiner Geliebten in einem Wagen die Ludwigstrasse hinauf. Man zeigt sich das Gefaehrt, man bleibt stehen und blickt den beiden nach. Viele Leute gruessen. Und es fehlt nicht viel, dass die Schutzleute Front machen.

Die Kunst blueht, die Kunst ist an der Herrschaft, die Kunst streckt ihr rosenumwundenes Zepter ueber die Stadt hin und laechelt. Eine allseitige respektvolle Anteilnahme an ihrem Gedeihen, eine allseitige, fleissige und hingebungsvolle Uebung und Propaganda in ihrem Dienste, ein treuherziger Kultus der Linie, des Schmuckes, der Form, der Sinne, der Schoenheit obwaltet… Muenchen leuchtete.

adc

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