Di, 23.10.2018 , 09:59 Uhr

Leute stehen an der Neuen Pinakothek Schlange

Sie hoffen auf den großen Kunstfund: Jede Woche stehen die Leute in der Neuen Pinakothek in München für die Bilderbegutachtung Schlange. Das Museum wird zum Ort der Träume – und der Geschichten.

 

 

Dienstagvormittage sind zum Träumen da in der Neuen Pinakothek in München. Die Leute, die im Foyer Schlange stehen, tragen ihre Träume in Jutebeuteln und Plastiktaschen. Sie haben Bilder dabei, die sie auf dem Dachboden gefunden, auf dem Flohmarkt gekauft oder bei Ebay ersteigert haben. Vielleicht, so die Hoffnung, die alle eint, ist das Gemälde ja ‚was wert.

 

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen veranstalten einmal pro Woche ihre Bilderbegutachtung. Von 9.00 bis 12.00 Uhr an jedem Dienstag – außer in den Ferien – nehmen Kunsthistoriker sich Zeit, die Funde anzuschauen und Hoffnungen zu bestärken oder zu zerschlagen. Wertschätzungen geben die Fachleute dort nicht ab – das betonen sie. Aber sie können sagen, ob es sich lohnt, ein Gemälde noch mal etwas genauer anzuschauen. Bis zu drei Exemplare darf jeder Besucher mitbringen. Manchmal kommen zehn Leute, manchmal 20.

 

Der 43-jährige Hicham Arib aus München ist schon zum zweiten Mal da an diesem Dienstag im Oktober. Er hat ein Gemälde auf Blech dabei. Im Internet gekauft. Eine Frau mit Witwenhaube. Blech ist kein Hinderungsgrund“, sagt Corinna Thierolf, Referentin für Kunst ab 1945 der Sammlung Moderne Kunst der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Aus dem 17. Jahrhundert stammt es wahrscheinlich, so ihre Einschätzung. Etwas Besonderes sei es aber leider nicht. Es ist doch sehr ländlich.“

 

 

Vor 20 Jahren habe er angefangen, Bilder zu kaufen, später dann auch Schmuck und Porzellan. „Ich habe bisher aber noch nie was gewonnen“, sagt Arib – und lacht. Denn so etwas wie ein Gewinnspiel sei das Ganze für ihn. „Das ist doch total spannend. Andere spielen Lotto.“

 

„Die Rückseite ist eigentlich oft am spannendsten“, sagt der Kunsthistoriker Fabian Huber, der als wissenschaftlicher Volontär in den Staatsgemäldesammlungen arbeitet. Und so ist es auch im Fall von Maria Pröbstl aus Gröbenzell bei München. Die 53-Jährige hat eine Stadtansicht von Dresden gefunden – auf dem Dachboden ihrer gestorbenen Tante. „Der Klassiker.“ Einen herzlichen Weihnachtsgruß aus der alten Heimatstadt Dresden, steht darauf. Hans u. Friede Neustaedt aus New York haben es geschickt – im Jahr 1948.

 

„Da bekommt man schon eine Gänsehaut, wenn man darüber nachdenkt, warum die damals vielleicht aus Dresden weggegangen sind“, sagt Pröbstl. „Da wird keine Kunstgeschichte geschrieben, aber Geschichte“, sagt Thierolf, die sichtlich Spaß hat an den Dienstags-Sprechstunden. „Man bekommt einen Überblick über das, was auf dem Markt ist – und auf dem Flohmarkt. Es ist ein Lauf durch die Zeit und durch die Kunst.“

 

Welche Geschichte ihr Bild erzählt, hat Annemarie Bücker noch nicht herausgefunden. Im Schrank ihrer Mutter fand sie, in Noppenfolie eingehüllt, ein riesiges Gemälde, das – so die Einschätzung der Experten – einmal in einer Kirche gehangen haben muss und wahrscheinlich aus dem 18. Jahrhundert stammt. Sie habe überhaupt keine Ahnung, wie ihre Mutter da rangekommen ist, sagt die 65-Jährige. „Und wir wissen auch nicht, wohin jetzt damit.“

 

„Vieles, was die Leute anbringen, ist so eindeutig Schrott, dass man das ganz schnell sagen kann“, meint der Kunsthistoriker Hubertus Kohle von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. „Ganz grob die Spreu vom Weizen trennen – das kann man schon relativ schnell.“ Dass die ganz großen Funde dabei sind, sei natürlich sehr selten. „Der Vater meines Doktovaters hat mal auf einem Flohmarkt in Paris eine Rubens-Zeichnung für zehn Francs gekauft“, sagt Kohle. „Aber so etwas spricht sich natürlich schneller rum als die vielen Zeichnungen, die auf Flohmärkten gekauft werden und nichts wert sind.“

 

Ganz hochwertige Funde sind auch bei der Bilderbegutachtung eher selten, sagt die Restauratorin Renate Poggendorf – aber sie kommen vor. „Da fragt man sich schon, wie manch einer an so ein Bild kommt. Einmal haben wir sogar die Polizei gerufen.“ Und einmal, in den 1990er Jahren, war nach Angaben der Pinakotheken ein echter Caspar David Friedrich dabei.

 

Echt ist das, was der 75 Jahre alte Münchner an diesem Oktober-Dienstag mitgebracht hat, dagegen leider nicht. Ein Enten-Bild von Alexander Koester kann schon ein paar Tausend Euro bringen – „2000 bis 3000 Euro pro Ente“, sagt der Mann. Rund 1000 hat er selbst für das Gemälde gezahlt, online gekauft. „Zuviel“ urteilt Thierolf. „Es ist kein Koester und wird keiner.“ Anzeichen dafür: die schwachbrüstig gemalten Enten.

 

„Aber Sie beurteilen nur Bilder?“, fragt dann jemand, der auch noch eine Skulptur im Angebot hätte. „Menschen auch“, entgegnet Thierolf. Sie hat schon oft die Dollarzeichen in den Augen erlöschen sehen. „Den Zahn müssen wir meistens ziehen – ohne Zahlen zu nennen.“ Einen Mann, der steif und fest behauptete, sein Gemälde sei hundertprozentig ein echter van Gogh (schließlich stand Vincent drauf) mussten die Kunstexperten sogar mehrfach mit dem wertlosen Gemälde wieder nach Hause schicken.

 

dpa

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