In vielen Bereichen haben Bayern, Baden-Württemberg und Hessen ähnliche Interessen. Im Streit über neue Stromtrassen aber geraten sie aneinander. Horst Seehofer deutet an, dass es möglicherweise doch zwei neue Mega-Leitungen nach Bayern gibt.
Zwischen Bayern, Baden-Württemberg und Hessen tobt ein neuer, heftiger Streit über eine geplante Stromtrasse von Nord- nach Süddeutschland. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wies am Montag heftige Kritik aus den Nachbarländern an einem neuen Trassenvorschlag aus München zurück. Dieser sieht vor, den sogenannten SuedLink nach Westen zu verschieben, womit beide Nachbarn deutlich stärker belastet würden.
Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) sagte dazu: „Egal, was in Bayern gedacht, geredet oder geschrieben wird, es wird keine Verlagerung der Trassenführung gegen die hessischen Interessen geben.“ Auch aus Stuttgart kam Kritik.
Seehofer sagte zu der bayerischen Idee: „Das hat nichts mit Sankt-Florians-Prinzip zu tun, sondern mit einer vernünftigen Energiepolitik.“ Baden-Württemberg brauche den SuedLink ohnehin und habe diesen auch begrüßt. Nun gehe es nur darum, wo man einen Zweig nach Bayern führe. Und wenn man den SuedLink von der Nordsee nach Baden-Württemberg führen wolle, dann müsse dieser eben durch Hessen führen. „Der kann nur durch Hessen gehen“, betonte Seehofer. „Wo soll er denn sonst durchgehen?“
Zudem rechtfertigte Seehofer das hartnäckige bayerische Vorgehen mit den Milliardenzahlungen Bayerns etwa in den Länderfinanzausgleich. „Dann darf man schon mal bayerische Interessen in anderen Bereichen – unter Einbettung in die Gesamtpolitik – vertreten“, sagte er.
Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) rechnete vor, dass nach den bisherigen Plänen 400 Kilometer neue Stromleitungen in Bayern gebaut werden müssten und nur 100 in Baden-Württemberg. Durch die neuen Vorschläge würde dies deutlich ausgewogener. Die Trasse soll demnach nicht ins unterfränkische Grafenrheinfeld führen und von dort weiterverteilt werden, sondern direkt nach Baden-Württemberg – mit einem Zweig ins bayerisch-schwäbische Gundremmingen.
Hessens Ministerpräsident Bouffier kündigte in der „Passauer Neuen Presse“ (Montag) energischen Widerstand an. „Wir werden gegen diese bayerischen Vorstellungen Widerstand leisten und auf gar keinen Fall hessische Interessen opfern“, sagte er.
Und auch aus Stuttgart hieß es, es gebe keinen Grund, vom vereinbarten Verfahren abzuweichen. „Es geht hier um Ja oder Nein zum Netzentwicklungsplan, nicht nur um ein paar marginale Änderungen, wie Bayern gerne glauben mache möchte. Wenn SuedLink kippt – und nichts anderes bedeutet der Vorschlag der bayerischen Wirtschaftsministerin – dann würde das drei Jahre Zeitverzögerung bedeuten“, kritisierte Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne).
Ähnlich äußerte sich der Stromnetzbetreiber Tennet. Die bayerischen Forderungen könnten „den Netzausbau um Jahre zurückwerfen“, warnte Tennet-Chef Lex Hartmann in „Spiegel Online„.
Seehofer deutete unterdessen erstmals an, dass es vermutlich doch zwei neue Höchstspannungstrassen geben könnte. Er betonte zwar: „Wir sagen: Zwei minus X. Gilt nach wie vor.“ Wenn aber andere Wege nicht einigungsfähig seien, dann wolle man den SuedLink mit Abzweig nach Gundremmingen und die sogenannte Süd-Ost-Trasse „unter Nutzung bestehender Trassen“ nach Landshut oder Ingolstadt.
Bayerns Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann griff Seehofer frontal an. „Energiepolitik ist keine Spielwiese für populistische Wackelpolitiker“, sagte er. Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, ergänzte auf Radio Eins vom Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb): „Es ist total peinlich, wie die CSU ganz Bayern vor dem gesamten Rest der Bundesrepublik lächerlich macht durch ihr unmögliches Verhalten.“
rg / dpa