Do, 18.06.2015 , 10:42 Uhr

Brot vom Vortag und krumme Gurken - in die Tonne oder in den Magen?

„Iss deinen Teller leer – woanders hungern Menschen!“ Diesen Spruch hat hierzulande wohl fast jeder schon mal gehört. Dabei wird in Afrika niemand satt, nur weil wir den letzten Krümel hinunterzwängen. Aber die Verschwendung von Lebensmitteln hat weitreichende Folgen.

 
Nürnberg – Ob Brot, Gemüse oder Joghurt: Täglich landen in Deutschland unzählige Lebensmittel im Müll – obwohl die meisten gar nicht verdorben sind. Das hat gravierende Folgen, nicht nur für den persönlichen Geldbeutel. Auch die Umwelt leidet darunter – und diejenigen Menschen weltweit, die sich nicht sorglos satt essen können. Die Politik will deshalb mit Aufklärungskampagnen wachrütteln. Derweil kämpft ein Nürnberger Geschäftsmann auf seine Art gegen die Wegwerfmentalität.
„Wir haben einfach nur 1,5 Milliarden Hektar Ackerland weltweit. Wenn wir da einen Teil von nutzen für Lebensmittel, die wir dann verschwenden, ist das für die Welternährung und auch aus ökologischen Gesichtspunkten fatal“, betont der Agrar-Experte der Umweltschutzorganisation Greenpeace , Martin Hofstetter.

 

 

Hohe Weltmarktpreise

 

Denn die große Nachfrage nach Lebensmitteln aus den Industriestaaten sorgt für hohe Weltmarktpreise. Die wiederum machen vor allem denjenigen Menschen in den Entwicklungsländern zu schaffen, die in einem städtischen Umfeld leben – sie können ihre Nahrung nicht selbst produzieren, sondern müssen sie kaufen. Würden weniger Lebensmittel verschwendet, würden die Preise dafür sinken.

 

Auch die Umwelt profitiert, wenn weniger Lebensmittel im Müll landen. Für die Ernährung der Weltbevölkerung würden weniger Flächen benötigt; dadurch würden weniger Wälder gerodet, die Artenvielfalt bliebe erhalten. Die durch die Landwirtschaft massenhaft anfallenden klimaschädlichen Gase würden ebenso reduziert wie der Eintrag von Nitrat, Antibiotika und Pflanzenschutzmitteln in Luft und Wasser.

 

 

Essen landet im Müll

 

Einer 2012 veröffentlichten Studie zufolge schmeißt jeder Bundesbürger im Jahr 82 Kilogramm Essen weg – im Wert von 235 Euro. Ein Großteil davon wäre vermeidbar, doch viele Menschen werfen rigoros alles in den Müll, sobald das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Dabei bedeutet dies im Gegensatz zum Verbrauchsdatum bei Hackfleisch und Fisch nur, dass etwa Farbe und Konsistenz bis zu diesem Zeitpunkt garantiert gleichbleibend sind. Genießbar ist vieles auch noch weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus.

 

Mit ihrem Verhalten sind die Verbraucher für 6,7 Millionen von insgesamt rund 11 Millionen Tonnen Nahrung verantwortlich, die in Deutschland jährlich im Müll landen. Der Rest fällt bei der Erzeugung, Verarbeitung, in Kantinen und Restaurants sowie im Handel an. Dort werden täglich riesige Mengen als nicht mehr verkaufbar aussortiert.

 

 

Neue Geschäftsidee

 

Bernd Heberger hat es immer geschmerzt, wenn er eine makellose Torte in die Tonne werfen musste. Auch überflüssiges Brot fiel bei seinem Arbeitgeber, einer Großbäckerei, in Mengen an. Als der gelernte Bäcker und jahrzehntelanger Leiter eines kleinen Supermarktes im Alter von 59 Jahren seinen Job verlor, war für ihn daher schnell klar: Das kann man ändern – und auch noch ein Geschäft damit machen.

 

Hebergers Idee: Er kauft einem mittelständischen Bäcker die Backwaren ab, die am Abend übrig bleiben, verpackt sie zu größeren Portionen und verkauft diese am nächsten Tag für wenig Geld. In der Nürnberger Südstadt, einem sozial eher schwachen Viertel, fand er einen geeigneten Standort und eröffnete im November 2010 seinen Laden „Leckeres vom Vortag“.

 

 

„Die Ware hält sich, die ist um Klassen besser als Industrieware“

 

„Was wir haben, ist wirklich handwerklich hergestellt – die Ware hält sich, die ist um Klassen besser als Industrieware“, schildert Heberger die Grundvoraussetzung. Einmal kurz in den Ofen – und das Brot schmecke wie frisch gebacken.
Ein kleiner Unterschied bleibt natürlich dennoch. Doch bei Preisen von je einem Euro für zwei Nussschnecken, drei Butterhörnchen oder zehn Brötchen nehmen viele Menschen leichte Abstriche in Kauf. „Es kommen aber nicht nur Bedürftige zu uns, sondern Menschen aus allen Schichten“, betont Heberger. Besonders jüngere Leute kauften ganz gezielt bei ihm, weil sie das Konzept unterstützen.

 

Heberger hat sein Angebot deshalb inzwischen ausgeweitet: Auf dem Großmarkt kauft er Obst und Gemüse, das der auf Perfektion bestehende Handel nicht haben will. Über die Theke gehen seither auch kleinere Äpfel, verwachsene Karotten und Unmengen an krummen Gurken – und werden so vor der Vernichtung bewahrt. (dpa/lby)

 

Greenpeace nahrung Ökologisch
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