Di, 28.10.2014 , 10:14 Uhr

Das Phantom und der Kunstschatz - Ein Jahr "Fall Gurlitt"

Ein wertvoller Kunstschatz und eine dunkle Vergangenheit: Es ist jetzt ein Jahr her, dass der Fall Gurlitt wie ein Blitz einschlug in die Kunstwelt. Ein Jahr danach herrscht weitgehend Stillstand – noch.

 

 

München – Der Fall hatte alle Zutaten für eine Sensation: Eine millionenschwere Kunstsammlung mit verschollenen Werken und Nazi-Vergangenheit sowie ein geheimnisvoller Protagonist, der als „Phantom“ bekanntwurde. Vor einem Jahr, am 3. November 2013, machte der „Focus“ den Fall Gurlitt öffentlich, und noch heute hält er die Kunstwelt in Atem.

 

Der Sohn von Adolf Hitlers Kunsthändler Hildebrand Gurlitt starb ein halbes Jahr später am 6. Mai 2014. Seine geliebte Kunstsammlung hatte er nicht noch einmal gesehen. „Er hat das nicht mehr forciert“, erinnert sich Gurlitts Betreuer, der Münchner Anwalt Christoph Edel, im Interview der Nachrichtenagentur dpa. „Er war überfordert und unsicher, verletzlich, schutzbedürftig.“

 

Ende 2013 war Edel als Betreuer für den alten Mann eingesetzt worden, der zu dem Zeitpunkt schon wochenlang im Fokus der Öffentlichkeit gestanden hatte. Anwalt Edel war es auch, der die Trauerrede hielt, als der 81-jährige Rolf Nikolaus Cornelius Gurlitt, wie er mit vollem Namen hieß, im Grab seiner Eltern in Düsseldorf beigesetzt wurde. Kontakt zu Familienmitglieder und Freunden habe Gurlitt kaum gehabt, sagt er. Der „Spiegel“ widmete Gurlitt im vergangenen Jahr die Titelgeschichte „Das Phantom“. Ein vielzitierter Satz aus dem Interview mit dem Kunstsammler: „Mehr als meine Bilder habe ich nichts geliebt in meinem Leben.“

 

Auch wenn die Milliarde, mit der der Wert der Sammlung zunächst beziffert wurde, nicht haltbar war – die Dimension des Kunstschatzes, den Gurlitt in seiner Schwabinger Wohnung und seinem Salzburger Haus hortete, ist riesig. Im Februar 2012 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Augsburg die ersten 1280 Kunstwerke wegen des Verdachts auf ein Steuer- und Vermögensdelikt in Gurlitts Münchner Wohnung. Doch das war nur die Spitze des Eisbergs.

 

Anfang 2014 wurde bekannt, dass sich weitere 238 Werke und möglicherweise der weitaus wertvollere Teil der Sammlung in Gurlitts Haus in Salzburg befanden. Darunter waren Arbeiten von Picasso und Monet. Und selbst das war noch nicht alles: Erst im September tauchte unter ominösen Umständen ein weiterer Monet auf, den Gurlitt im Krankenhaus in einem Koffer bei sich getragen haben soll.

 

Hunderte Werke aus Gurlitts Sammlung stehen nach Auffassung der Taskforce «Schwabinger Kunstfund», die sich des Falls angenommen und die Münchner Bilder in die Lostart-Datenbank eingestellt hat, im Verdacht, Nazi-Raubkunst zu sein. Gurlitts ehemaliger Betreuer spricht von acht Bildern mit möglicherweise dunkler Vergangenheit. Der Fall brachte das sträflich vernachlässigte Thema der Nazi-Raubkunst auf die politische Agenda.

 

In zwei Fällen – bei Henri Matisse‘ „Sitzender Frau“ und Max Liebermanns „Reitern am Strand“ – habe man vor Gurlitts Tod kurz vor der Einigung mit den Erben gestanden. Weil das Kunstmuseum Bern, das Gurlitt als Alleinerben einsetzte, aber immer noch nicht entschieden hat, ob es das Erbe antreten will, herrscht seit Monaten Stillstand.
„Die Restitutionen standen kurz bevor. Dass sich das verzögert hat, finde ich schon ein bisschen schade“, sagt Edel. Am 26. November will das Museum endgültig entscheiden. Sollte es die Erbschaft ausschlagen, wäre das eine große Überraschung, wie zu vernehmen ist – und für die Anspruchsteller, die auf die Rückgabe ihrer Bilder warten, würde es eine weitere Verzögerung bedeuten. „Die Gespräche verlaufen konstruktiv, sind aber noch nicht abgeschlossen“, ließ das Museum verlauten.

 

Der Kunstschatz sei Gurlitt zuletzt immer mehr zur Last geworden, sagt Edel heute. In seiner Trauerrede hatte er gesagt: „Cornelius Gurlitt konnte in der Gewissheit, mit seiner freiwilligen Zustimmung zur Aufklärung und Restitution ein beispielloses Zeichen gesetzt zu haben, von seinen Bildern loslassen“.

 

Zu dem Vertrag mit Bundesregierung und Freistaat über die Erforschung der Herkunft seiner Bilder und im Fall der Fälle auch über eine Rückgabe an die rechtmäßigen Besitzer habe er ihm geraten, sagt Edel heute – auch mit Rücksicht auf den Namen Gurlitt und dessen Rehabilitierung. „Es entsprach inhaltlich im Kern dem, was er immer wollte.“ Kurz nachdem er seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hatte, war Gurlitt tot.

 

Warum er das Schweizer Kunsthaus für seine Rechtsnachfolge auserkoren hat, darüber kann auch der Anwalt nur mutmaßen. „Gurlitt war gegenüber allem Deutschen skeptisch“, sagt er. Und: „Er war nie ein Nazi.“

 

dpa

Cornelius Gurlitt gurlitt Kunstsammlung
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