Mo., 07.11.2016 , 10:48 Uhr

Er schaut Sonntagabend bei Millionen vorbei: der Mann der „Tatort“-Augen

Die Ermittlerteams wechseln, das Auge bleibt. Horst Lettenmayer ist die einzig wirkliche Konstante beim „Tatort“. Die Augen und Beine im Kult-Vorspann gehören ihm. Überraschend ist seine Meinung zu dem Clip.

 

 

Horst Lettenmayer war noch keine 30 Jahre alt, als er Fernsehgeschichte schrieb. Für den Vorspann zu einem „Pilotfilm“ einer neuen ARD-Reihe schaute er vor mehr als 46 Jahren in die Kamera und rannte auf dem damaligen Münchner Flughafen in Riem immer wieder auf dem Asphalt hin und her, während seine Beine gefilmt wurden. Weil damals noch niemand wusste, dass aus diesem „Pilotfilm“ die erfolgreichste und bekannteste deutsche Krimireihe werden würde, bekam und akzeptierte er damals 400 Deutsche Mark Gage für den Tagesjob.

 

Lettenmayer ist das „Tatort“-Auge. Das Augenpaar, das im Vorspann des ARD-Krimis zur Musik von Klaus Doldinger in die Kamera schaut, ist seins. Egal, ob danach Maria Furtwängler, Axel Milberg, Til Schweiger oder Jan Josef Liefers ermitteln – der heute 75-Jährige ist seit nunmehr 1000 Folgen immer der Erste, den die Zuschauer erblicken, wenn sie sonntags um 20.15 Uhr das Erste einschalten.

 

„Ich schau‘ Euch jeden Sonntag ins Schlafzimmer“, sagt Lettenmayer der Deutschen Presse-Agentur in seinem Haus in Dachau bei München und lacht. „Der Voyeur der ARD.“

 

In seinem Büro zeugt eine Trophäe mit dem berühmten „Tatort“-Fadenkreuz von der bekanntesten Rolle des früheren Schauspielers. Die habe er bei einer Party zur 300. „Tatort“-Folge in Köln bekommen – eine der wenigen Anerkennungen, die die ARD für ihn übriggehabt habe.

 

Sein juristischer Kampf für mehr Geld, eine nachträgliche Beteiligung am großen „Tatort“-Erfolg und – wie er sagt – vor allem um mehr Anerkennung ging nicht zu seinen Gunsten aus. „Es geht dabei ums Prinzip“, sagt Lettenmayer, der auch dem Ameisenoffizier in der „Biene Maja“-Serie seine Stimme geliehen hat. Um die geistige Leistung eines Schauspielers.

 

Das Gericht, sagt Lettenmayer, habe ihn damals gefragt, ob er auf der Straße allein an seinen Augen erkannt werde. Das sei allerdings noch nie vorgekommen. Auch eine kleine Rolle in der Episode „Der Pott“ an der Seite von Götz George als Horst Schimanski in den 80er Jahren brachte nicht den erhofften Durchbruch als Schauspieler.

 

Um Geld zu verdienen, konzentrierte Lettenmayer sich darum auf seine Fähigkeiten als Elektrotechniker und die Lampen-Firma, die er aufgebaut hat und die seinen Angaben zufolge sogar das britische Königshaus als Kunden hat. „Unsere Lampen hängen im Schloss Balmoral.“ Das Unternehmen gibt es seit 38 Jahren; gerade ist er dabei, die Geschäfte an seine Tochter zu übergeben.

 

Von Lettenmayers Schauspielkarriere ist der Vorspann geblieben – in Zeiten immer häufiger wechselnder Ermittlerteams die einzig wirkliche Konstante der Kult-Krimireihe. „Die ARD hat das 32-Sekunden Filmchen nie wirklich verändert“, schreiben die Experten vom „Tatort-Fundus“. Während andere Fernseh-Flaggschiffe – sogar die „Tagesschau“ – sich optisch der Zeit anpassten, stehe der „Tatort“-Vorspann „sozusagen unter Fernseh-Denkmalschutz“.

 

Wirklich gut findet Lettenmayer das nicht – ebenso wenig wie den Hamburger „Tatort“ mit Til Schweiger („Das ist kein „Tatort“ mehr, das ist ein kalifornisches Gemetzel“). Auch wenn er dadurch wahrscheinlich öfter im deutschen Fernsehen zu sehen ist als  Schweiger und Liefers zusammen, sagt er: „Tatsächlich gehört der erneuert.“ Der alte Vorspann passe heute einfach überhaupt nicht mehr zu dem Format. „Aber die Leute wollen nun mal die Augen sehen…“

 

dpa

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