Mo, 29.10.2018 , 16:54 Uhr

Trotz Verbot operiert: Schönheitschirurg muss ins Gefängnis

Ein Münchner Schönheitschirurg muss ins Gefängnis, weil er Patientinnen operierte, obwohl ihm das Gesundheitsamt das verboten hatte. Die Staatsanwältin spricht von „selbstherrlichem Vorgehen“, die Richterin von „beispielloser Ignoranz“.

 

München – Dass Ärzten die Zulassung entzogen wird, geschieht recht selten. Dass ein Arzt dann ohne diese Zulassung weiterarbeitet, noch viel seltener. Nun hat das Münchner Amtsgericht am Montag einen Schönheitschirurgen wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz zu drei Jahren Haft verurteilt und ein Berufsverbot von drei Jahren verhängt.

 

Der Mann hat nach Auffassung des Gerichts Operationen – vor allem Brustvergrößerungen – durchgeführt, obwohl das Gesundheitsamt ihm das wegen fehlender Hygiene- und Sicherheitsstandards in seiner Münchner Praxis verboten hatte. Der Mediziner hatte schließlich sogar seine Approbation – also die Erlaubnis, überhaupt als Arzt tätig zu sein – komplett verloren.

 

Trotz Operationsverbots munter weiteroperiert

 

Trotz Operationsverbots habe er «munter weiteroperiert» und seine Patienten auch nicht genügend aufgeklärt – zum Beispiel darüber, dass er offiziell gar nicht operieren durfte und außerdem keine Haftpflichtversicherung hatte. Die Richterin sprach von «absoluter Uneinsichtigkeit» und «beispielloser Ignoranz».

 

Eine seiner Patientinnen war eine 49-jährige Münchnerin, die vor Gericht ihre Erfahrungen schildert. Die eine Brust wollte nach der OP einfach nicht verheilen, immer wieder sei sie in die Praxis gefahren, immer wieder habe der Angeklagte die Wunde genäht. Die Fotos auf ihrem Handy, die die Frau von sich gemacht hat, erschrecken. «Ich sah aus wie ein Rollbraten», sagt sie. «Ich habe gedacht, meine Brust platzt.» Ihr Arzt habe sie aber immer wieder beruhigt und gesagt, das Problem sei ihre Wundheilung. Als sie in ein Krankenhaus fahren wollte, habe er sie davon abgehalten. «Er hat gesagt, er ist schließlich der Wissenschaftler und kennt sich aus.»

 

Bis die Frau das Vertrauen in ihn verlor, dauerte es. Vor Gericht werden ihre SMS an den Arzt vorgelesen. «Ich wollte nur mal ganz leise nachfragen, wie es jetzt weitergeht mit meiner Brust», schrieb sie. Heute könne sie darüber fast lachen, sagt sie. «Aber damals hab‘ ich nur noch geheult. Ich war fix und fertig. Ich war keine Frau mehr.»

 

Zulassung entzogen? 20 Fälle in Oberbayern in 5 Jahren

 

Wie vielen Ärzten in Deutschland die Zulassung in den vergangenen Jahren entzogen wurde, wird nach Angaben der Bundesärztekammer nicht bundesweit erfasst. Die Regierung von Oberbayern, die für die Entziehung von Ärzte-Zulassungen in den bayerischen Regierungsbezirken Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz und Schwaben zuständig ist, hat in den vergangenen fünf Jahren rund 20 solcher Fälle gezählt, die allerdings noch nicht alle rechtskräftig abgeschlossen sind.

 

Bei der Bezirksregierung Unterfranken, die Fälle in Franken seit 2014 zusammenfasst, waren es acht. Die Gründe für den Entzug der Approbation reichen den Angaben zufolge von Hygienemängeln über Betrug bis hin zu Sexualdelikten und fahrlässiger Tötung.

 

Der Münchner Fall sei etwas Besonderes, sagt die Sprecherin der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-plastischen Chirurgen (VDÄPC). «In der Dimension handelt es sich sicherlich um einen Einzelfall. Ohne Approbation ärztlich tätig zu sein – hier ist kriminelle Energie im Spiel.»

 

Die Staatsanwältin warf dem angeklagten Mediziner, der schon mehrfach zivilrechtlich verklagt wurde, in ihrem Schlussplädoyer «rücksichtsloses Vorgehen ohne jeden Grund» vor. «Durch Ihr Vorgehen – Ihr selbstherrliches Vorgehen – haben Sie andere Menschen in enorme Gefahr gebracht», sagte sie. «Sie haben ohne Haftpflichtversicherung und ohne Anästhesisten die Behandlungen durchgeführt und es war Ihnen einfach egal.»

 

Der Angeklagte hatte im Prozess bestritten, überhaupt davon gewusst zu haben, dass er nicht mehr operieren durfte. Er sieht sich vom Gesundheitsamt der Stadt München verfolgt. Er sei ein Opfer von «Neid und Missgunst», die Prostituierten unter seinen Patientinnen, die vor Gericht gegen ihn aussagten, seien gekauft. Seine Verteidigerin zweifelte außerdem an, dass es sich bei den angeklagten Fällen überhaupt um Operationen handelte. Es seien kleine Eingriffe gewesen, «die wir nur Operationen nennen, um sie zu überhöhen». Im Übrigen hätten die Patientinnen des Mediziners, die die Verteidigerin «dem Milieu» zurechnete und die zum Teil in bar bezahlten, aus ihrer Sicht unter allen Umständen «immer eingewilligt, um ihre Brüste verschönern zu lassen».

 

Der Mediziner legte sofort Rechtsmittel gegen das Urteil ein. Er werde «bis zum Europäischen Gerichtshof» gehen, sagte er und sprach von einem «vorsätzlichen Fehlurteil». Der Richterin warf er vor, sie habe von Medizin überhaupt keine Ahnung.

 

Von Britta Schultejans, dpa

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