Thomas Barth wurde Ende Juni am U-Bahnhof Marienplatz brutal zusammengeschlagen, als er Zivilcourage zeigte. Der 21-jährige Schläger, den er stoppen wollte, erstattet jedoch nun paradoxerweise Anzeige gegen Barth. Der wehrt sich. Über einen Fall, in dem von Polizei bis Justiz nicht alles zu passen scheint, in dem aber auch die Täter-Opfer-Rolle verwirrend ist.
München – Nasenbeinbruch, eine angebrochene Augenhöhle, eine Gehirnerschütterung, Kiefer- und Rippenprellungen und lockere Schneidezähne. „Ich sah aus wie eine abgestochene Sau“, drückt Thomas Barth (46) seinen Gesundheitszustand nach dem Abend des 24. Juni aus. Noch heute bekommt er trotz Operation kaum Luft durch ein Nasenloch – es wird wohl auch nicht wieder werden wie davor.
Es war gerade 23 Uhr, Barth befand sich mit seiner Frau Wilma (45) auf dem Nachhauseweg, als ihn Wilma plötzlich am U-Bahnhof Marienplatz darauf aufmerksam machte, dass wenige Meter entfernt ein 21-jähriger Mann seine Freundin zuerst schubste, dann mit der Faust ins Gesicht schlug. Barth rannte hin, wollte der Frau zu Hilfe kommen. „Ich bin ihm wohl in den Rücken gesprungen“, erklärte Barth, dann wisse er nichts mehr. „Es ging ganz schnell. Ich war in kürzester Zeit bewusstlos.“
Ein Zeuge schildert die Situation so: Sowohl Barth als auch der 21-Jährige seien zu Boden gegangen. Der Junge (1,90m) jedoch schneller wieder aufgestanden. Er soll Barth (1,74m) daraufhin mehrmals ins Gesicht geschlagen haben. Das zeigen laut Barth auch die Standbilder der Überwachungskamera. Umso fragwürdiger ist nun, warum der eigentliche Täter den 46-Jährigen nun anzeigte. Barth: „Er ist vorbestraft, gerade auf Bewährung und arbeitslos. Er hat Angst vor dem Knast.“
Doch wäre Reden nicht auch eine Alternative gewesen? „In diesem Moment nicht“, glaubt Barth. „Ich hatte die Geschichte von Tugce (zeigte in Offenbach Zivilcourage und starb an den Folgen ihrer Verletzung, Anm. d. Red.) im Hinterkopf, wollte so schnell helfen, wie es geht. Für mich gibt es da nichts. Eine Frau schlägt man einfach nicht und schon gar nicht mit der Faust.“
Vorwürfe macht er der Staatsanwältin, die diesen Strafbefehl gegen ihn erließ: „Die hat sich das Videomaterial wohl nie angesehen und verkennt die Fakten.“ Barth wird dagegen Einspruch einlegen und er hat gute Karten, denn das ganze Video liegt mittlerweile der Kripo vor.
Allerdings gibt es noch ein paar Ungereimtheiten. Zum einen kassierte auch seine Frau einen Strafbefehl über 1800 Euro. Sie gab einem Zivilbeamten „im Eifer des Gefechts aus Versehen“ eine Watschn. Der Polizist gibt an, seinen Dienstausweis gezückt zu haben, Wilma bezweifelt das.
Und dann wäre da noch die Geschichte mit der Aussage. Barth hat nämlich noch immer keine machen dürfen. Warum? Weil er angeblich noch am Tatort – unmittelbar nach der Bewusstlosigkeit und wie er selbst sagt „wahrscheinlich noch ganz ballaballa“ – ein Dokument unterzeichnete. In dem heißt es, er wolle eine Anzeige, jedoch keine Aussage machen.
Ob das noch nachgeholt wird, ist fraglich. Klar bleibt für Barth aber: „Zivilcourage würde ich jederzeit wieder zeigen.“
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