Do, 25.02.2016 , 09:16 Uhr

"Großes gelingt besser im Team" - Selbstbild des Lehrers im Wandel

Unterricht soll Spaß machen – den Schülern natürlich, aber auch dem Lehrer. Wer sich nicht als Einzelkämpfer im Klassenzimmer versteht, wer gern im Team arbeitet, der ist auf dem richtigen Weg. Eine neue Studie zeigt aber auch: Die Gegenwart ist oft noch grau.

„Kiebitzen“ erlaubt, Abkupfern auch: Für Lehrer wie Martin Hölzel ist das eine Selbstverständlichkeit – solange es nur im Kollegenkreis passiert. Als Projektleiter eines innovativen Pädagogenteams am Gymnasium Olching bei München wurde der 43-Jährige kürzlich mit dem „Deutschen Lehrerpreis“ geehrt. Er praktiziert seit Jahren, was in diesem Beruf noch längst nicht normal ist: den neugierigen Blick über den Tellerrand, gegenseitige Inspiration, kreative Kooperation im Schulalltag.

 

Hölzel und seine Kollegen haben verstanden, dass Teamwork im Einzelkämpfer-Job des Lehrers den Unterricht meist verbessert, unnötige Arbeit erspart – und vor allem „einen Riesenspaß“ macht. „Unsere Ausbildung ist ja darauf ausgerichtet, dass wir lernen, allein vor der Klasse zu bestehen. Und das ist auch notwendig“, sagt Hölzel. „Aber wenn man etwas Großes machen will, dann ist es besser, als Team aufzutreten.“ In Olching kämen zwei Dinge zusammen, um Vorzeigeprojekte wie die Themenreihe „My Science“ zu stemmen: „Dass niemand unter Zwang dabei ist. Und dass wir von der Schulleitung einen geschützten Raum dafür bekommen.“

 

Aufgeschlossenen Pädagogen wie Martin Hölzel gehört die Zukunft, so lautet ein Fazit der am Donnerstag präsentierten Studie „Lehrerkooperation in Deutschland“. Die Gegenwart sieht aber noch weniger rosig aus. So macht nur jeder vierte der gut 1000 repräsentativ befragten Lehrer gemeinschaftlichen Unterricht mit Kollegen. Nicht einmal jeder Zehnte hospitiert häufiger im Unterricht anderer Lehrer. Zur Zusammenarbeit in fachbezogenen Pädagogenteams ringt sich immerhin schon jeder Zweite durch. Über den Austausch zu Unterrichtsmaterialien (82 Prozent) geht die Kooperationsbereitschaft aber oft nicht hinaus.

 

„Teamspieler oder Einzelkämpfer – das ist keine Frage der Lehrerausbildung“, betont der Wuppertaler Bildungsforscher Dirk Richter, einer der Autoren des Reports, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Die Schulstrukturen sind oft noch so, dass Kooperation nur auf einem eher oberflächlichen Niveau stattfindet.“

 

Hinzu kommt, dass viele Lehrer nicht selbstbewusst genug sind, um ihre Karten auf den Tisch zu legen. „Die größte Errungenschaft für Studienräte war das Sicherheitsschloss in der Klassentür. Damit ist das letzte Loch dicht, durch das sich Lehrer noch beobachtet fühlen“, spotten erfahrene Pädagogen über Abschottungstendenzen mancher Kollegen. Auch Richter hat festgestellt: „Die Angst, im eigenen Unterricht etwas falsch zu machen und dafür kritisiert zu werden, ist immer noch sehr groß.“

 

Eine Furcht, die nach den Erfahrungen des Kooperationspraktikers Hölzel unnötig ist: „Man bekommt doch vor allem die Stärken des Anderen mit, wenn man dort hospitiert. Und man denkt dann: Wow, das könnte ich ja auch machen. So schaut man sich etwas ab.“

 

Die Studie der großen Stiftungen Bertelsmann, Deutsche Telekom, Robert Bosch und Mercator weist nach, dass kooperationswillige Lehrer oft kompetenter und in ihrem Job zufriedener sind – und sich insgesamt wohler fühlen. „Wir wissen nicht genau, ob die Zusammenarbeit mit Kollegen dafür Ursache oder Wirkung ist“, sagt Richter. „Aber negative Zusammenhänge können wir ausschließen: Zu mehr Stress oder Unzufriedenheit führt solche Teamarbeit nicht.“

 

Auffällig ist auch, dass junge Lehrer mit bis zu fünf Jahren Berufserfahrung lieber im Team unterrichten als ältere Kollegen (26 zu 19 Prozent) und auch lieber größere Projekte gemeinsam planen (29 zu 17 Prozent). Allerdings sind Lehrer mit 30 Jahren Berufserfahrung oder mehr ebenfalls bereit, mit Sozialpädagogen, Sozialarbeitern oder Psychologen zusammenzuarbeiten (48 Prozent) oder sich von Schülern ein Feedback über den eigenen Unterricht einzuholen (35 Prozent). In puncto Kooperation vernagelt sei in Deutschland praktisch kaum ein Lehrer mehr, sagt Bildungsforscher Richter. „Der Wille ist da.“

 

Während Schulen mit Inklusion (gemeinsamer Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern) „Leuchttürme der Kooperation“ seien, sieht es nach Richters Worten an Gymnasien etwas anders aus. Obwohl Deutschland bei diesem Thema international nicht schlecht dastehe, könne also noch viel geschehen. „Es muss klar werden, dass Kooperationsmodelle für Lehrer per se keine Zusatzbelastung sind, sondern vor allem Freude machen.“ Das sieht Gymnasiallehrer Hölzel im Gespräch mit der dpa ganz ähnlich: „Spaß ist der Schlüssel. Lieber eine Stunde mehr arbeiten und dabei Freude haben…“

 

 

rg / dpa

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