Einmal in Deutschland angekommen sind sie oft zu monatelangem Nichtstun verdammt. Dabei würden viele Flüchtlinge gerne arbeiten. Die bürokratischen Hürden sind aber immer noch hoch – da ist die Versuchung groß, sich als Schwarzarbeiter zu verdingen.
Das Taschengeld ist knapp bemessen, und die Schlepper warten schon auf die nächste Rate – da ist die „Anreizwirkung“ für Flüchtlinge groß, sich schwarz ein paar Euros dazuzuverdienen, glaubt der Migrationsforscher Herbert Brücker. Das zeigen zumindest frühere Erfahrungen mit Asylbewerbern, betont der Bamberger Universitätsprofessor. Aktuell scheint das aber kein noch allzu großes Problem zu sein. Die im Vorjahr in Deutschland eingetroffenen Flüchtlinge spielen nach den Erfahrungen von Behörden, Forschern und Sozialverbänden bisher in der Schattenwirtschaft noch kaum eine Rolle.
Dass sich manche Syrer, Iraker, Afghanen und Somalier als Taglöhner verdingen, will zwar keiner der Fachleute gänzlich ausschließen. Aber ein Massenphänomen sei das derzeit nicht. Doch das könnte sich schon bald ändern. Sollten Flüchtlinge in nächster Zeit legal nur schwer eine reguläre Arbeit finden, dürften sie vermehrt auf die „Arbeitsstriche“ deutscher Großstädte drängen. „Denn wer nicht die Möglichkeit hat, regulär zu arbeiten, bei dem steigt der Anreiz, illegal zu arbeiten“, macht Brücker deutlich.
Davon ist auch das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Tübingen überzeugt. Die Wissenschaftler rechnen in diesem Jahr mit 100 000 und 300 000 schwarz arbeitenden Flüchtlingen. Professor Bernhard Bookmann unterstellt dabei, dass sich rund 25 Prozent der rund 800 000 Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter in der Schattenwirtschaft verdingen könnten – zu Stundenlöhnen von fünf bis sechs Euro, teilweise deutlich darunter.
Dass sich Flüchtlinge trotz der illegalen Dumpinglöhne darauf einließen, hat nach Boockmanns Erfahrung gleich mehrere Gründe: „Viele haben sich für die Schlepper verschuldet. Manche haben auch Familien in der Heimat, die sie finanziell unterstützen wollen“. Und schließlich sei die Versuchung groß, sich mit schwarz erarbeiteten Euro das geringe Taschengeld etwas aufzubessern.
Der Zoll sieht dafür bislang freilich keine Hinweise. „Im Moment sehen wir keine Flüchtlinge auf dem illegalen Arbeitsmarkt. Die Frage ist, wie das im nächsten Jahr aussieht“, meint der für den Bereich Schwarzarbeit zuständige Sprecher der Zoll-Generaldirektion in Bonn, Klaus Salzsieder. Der Vorsitzende der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft, Dieter Dewes, sieht das ähnlich: „Ich habe gerade mit zwei großen Hauptzollämtern gesprochen. Auch von dort kommt ein klares Nein.“
Auch die Betreiberin eines Flüchtlingsheims am Rande der Nürnberger Innenstadt ist überzeugt: „Von denen, die hier untergebracht sind, arbeitet nach meiner Kenntnis keiner schwarz.“ Die wüssten, dass das strafbar und daher für sie riskant sei. So sieht man das auch beim Diakonischen Werk Bayern, das in vielen Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaats Beratungsstellen für Asylbewerber betreibt: „Möglich, dass es in Einzelfällen Schwarzarbeit gibt. Aber wenn das gehäuft vorkäme, wüssten wir das“, berichtet Diakonie-Sprecher Daniel Wagner. Auch die Nürnberger Handwerkskammer und der DGB in Berlin winken ab. Bislang sei das kein Thema, betont man dort.
Trotzdem gibt es in der Flüchtlings- und Ausländerszene auch andere Stimmen. Glaubt man einem in Nürnberg lebenden Arabisch-Dolmetscher, der ungenannt bleiben möchte, dann ist Schwarzarbeit unter Flüchtlingen gar nicht so selten: „Da gibt es arabische Autohändler in der Stadt, die heuern ganz gezielt syrische und arabische Flüchtlinge an. Die lassen die Flüchtlinge dann für ein paar Euro Autos waschen. Andere sind in Restaurants als billige Spülkräfte eingesetzt – für fünf bis sechs Euro die Stunde und manchmal sogar für weniger“, berichtet er. Vermittelt würden die Jobs am Nürnberger Hauptbahnhof und bei anderen beliebten Ausländer-Treffs.
Schwarzarbeit unter Migranten, auch unter Flüchtlingen, ist für Brücker jedenfalls nichts Ungewöhnliches. Trotzdem ließen sich dabei nicht alle Flüchtlinge über einen Kamm scheren. So sei etwa bei Flüchtlingen vom Balkan Schwarzarbeit ausgeprägter gewesen. „Das ist aber eine Ausländergruppe, die vor allem wegen der Arbeit nach Deutschland kam.“ Bei Syrern, die zunächst einmal dem Bürgerkriegsterror entfliehen, sei das meist anders. „Die verhalten sich eher gesetzestreu“, ist seine Erfahrung. Grundsätzlich aber bewege man sich wegen der dünnen Datenlage beim Thema Schwarzarbeit immer auf „dünnem Eis“.
rg / dpa