Fr., 15.02.2019 , 10:55 Uhr

Schulzeugnisse: Wie gerecht sind Noten und Lerngespräche?

Waldorfschulen verzichten seit jeher auf sie. Inzwischen auch etliche Grundschulen zum Halbjahr: Noten. Aber auch die Alternative der sogenannten Lernentwicklungsgespräche hat Schwächen.

 

Am Freitag bekommen Mädchen und Buben in Bayern Zwischenzeugnisse. Doch nicht jedes Kind geht mit einem Zeugnis nach Hause. Seit 2015 dürfen Grundschulen in den Jahrgangsstufen eins bis drei alternativ sogenannte Lernentwicklungsgespräche abhalten. Die Gefahr ungerechter Bewertung verhinderten die Gespräche nicht, sagt der Würzburger Pädagogikprofessor Johannes Jung.

 

Bei einem Lernentwicklungsgespräch tauschen sich Kind und Lehrer in Anwesenheit der Eltern über Stärken und Schwächen aus und vereinbaren Ziele. Der Lehrer dokumentiert auf einem Formular, wie gut und eigenständig das Kind verschiedene Tätigkeiten ausübt. Laut Kultusministerium haben 85 Prozent der Grundschulen im Freistaat Zwischenzeugnisse durch die Gespräche ersetzt (Stand 2017/18).

 

Grundschulpädagoge Jung hält die Gespräche verglichen mit Zeugnissen für differenzierter. „Dass alles gut ist, wenn man Noten abschafft, ist aber zu kurz gedacht“, sagt er. Die Gespräche ordneten Schüler weiter in einem Raster ein. Besonders dass Kinder unterschiedliche Voraussetzungen haben – angefangen bei der Intelligenz, über den sozialen Hintergrund bis zur Atmosphäre in der Klasse – sei schwer zu berücksichtigen. „Das sorgt für permanente und nicht vermeidbare Verzerrung“, erklärt Jung.

 

Der Bayerische Elternverband findet die Gespräche trotzdem gerechter. „Es wäre sinnvoll, sie auf andere Schulformen zu erweitern“, sagt die stellvertretende Landesvorsitzende Henrike Paede.

 

Der Bayerische Lehrer-und Lehrerinnenverband (BLLV) sieht Noten wie Gespräche mit gemischten Gefühlen. Noten lösten Druck und Ängste aus und würden Kompetenz nur bedingt messen, betont Präsidentin Simone Fleischmann. Zwischenzeugnisse seien „ein Ritual, das überholt und fragwürdig geworden ist“. Lerngespräche hält Fleischmann für ein „exzellentes Instrument“.

 

Doch Lehrer und Schüler bräuchten mehr Zeit als die vorgesehenen maximal 30 Minuten. Dass mit den Dokumentationsbögen weiter eine Einordnung stattfindet, ist für Fleischmann ein Kompromiss. „In einem leistungsorientierten Land wie Bayern können wir den Blick nicht von heute auf morgen ändern.“

 

Das Bayerische Kultusministerium will an Noten festhalten: „Lernentwicklungsgespräche können Noten nicht ersetzen. Beide Formen der Rückmeldung über den Leistungsstand sind wichtig und ergänzen sich“, erklärt Minister Michael Piazolo (Freie Wähler).

 

Auch Professor Jung gibt zu: Ganz ohne Einordnung kämen Schulen nicht aus. „Unsere Gesellschaft ist auf Normierung aufgebaut», sagt Jung. Individualität stoße zwangsläufig schnell an Grenzen.

 

dpa

Bayern Bildung Noten Schule Zwischenzeugnisse

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