Do, 06.09.2018 , 10:34 Uhr

Seehofer: «Migrationsfrage Mutter aller politischen Probleme»

Er wäre als Bürger auch in Chemnitz auf die Straße gegangen, sagt Innenminister und CSU-Chef Seehofer. Von Rechtsradikalen hätte er sich dabei aber distanziert. Auch zur Asylpolitik findet er klare Worte. Hilft das seiner CSU bei der Landtagswahl Mitte Oktober?

 

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat die Migrationsfrage als «Mutter aller politischen Probleme» in Deutschland bezeichnet. Angesprochen auf die schlechten Umfragewerte der Union sagte der Bundesinnenminister der «Rheinischen Post» (Donnerstag): «Wir haben erstmals eine Partei rechts der Union, die sich mittelfristig etablieren könnte, ein gespaltenes Land und einen mangelnden Rückhalt der Volksparteien in der Gesellschaft.»

Dies habe zwar «nicht nur» mit der Migrationspolitik zu tun, sagte Seehofer. «Aber die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land. Das sage ich seit drei Jahren.» Das bestätigten viele Umfragen, und das erlebe er auch in seinen Veranstaltungen. Viele Menschen verbinden Seehofer zufolge jetzt ihre sozialen Sorgen mit der Migrationsfrage.

 

In Bayern wird am 14. Oktober gewählt; der dort allein regierenden CSU drohen starke Verluste. Die rechtspopulistische AfD kommt im Freistaat laut Umfragen auf 13 bis 14 Prozent.

 

Verständnis für Demonstrationen

Seehofer äußerte auch Verständnis für die Demonstrationen in Chemnitz nach der tödlichen Messerattacke auf einen 35-jährigen Deutschen. Zwei junge Männer sitzen als Verdächtige in Untersuchungshaft. Von den Behörden werden sie als Syrer und Iraker bezeichnet – allerdings gibt es Zweifel an ihrer Identität. Nach einem dritten Tatverdächtigen, einem Iraker, wird gefahndet.

Dazu sagte Seehofer, die Tat wühle ihn auf. Deshalb stünden die Verurteilung und die Anteilnahme ganz vorn. «Zweitens gibt es eine Aufregung und eine Empörung in der Bevölkerung wegen dieses Tötungsdelikts, für die ich Verständnis habe. Ich wäre, wenn ich nicht Minister wäre, als Staatsbürger auch auf die Straße gegangen – natürlich nicht gemeinsam mit Radikalen», sagte er dem Blatt.

Nach der Tat gab es Demonstrationen von Rechtsgerichteten, Neonazis und Gegnern der deutschen Flüchtlingspolitik, dabei kam es zu Übergriffen auf Polizisten, Journalisten und Ausländer. Seehofer sagte dazu, es gebe «null Toleranz gegenüber Kräften, die diese Vorkommnisse zum Anlass nehmen, um zu Gewalt aufzurufen oder gar Gewalt auszuüben, auch gegenüber der Polizei. Das ist völlig inakzeptabel, da gibt es keine Schattierungen.»

 

Unerlaubte Einreise

Seehofer sagte, einer der mutmaßlichen Messerstecher hätte gar nicht erst einreisen dürfen. «Wenn wir die Regelung gehabt hätten, für die ich im Frühsommer scharf kritisiert wurde, wäre der tatverdächtige Iraker nicht ins Land gekommen. Er hatte 2016 in Bulgarien bereits einen Asylantrag gestellt und hätte an der Grenze zurückgewiesen werden können.» Das seien Fälle, «die uns das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger kosten».

 

Europäische Lösung

Der Innenminister verwies auf die Schwierigkeiten, eine europäische Lösung für eine gleichmäßigere Verteilung der Migranten innerhalb der EU auszuhandeln. Das sei schwierig zu erreichen. «Nehmen wir als Beispiel das Abkommen mit Italien: Für jeden Flüchtling, den wir in ein Land zurückgeben, sollen wir einen anderen aufnehmen. Das ist ein Nullsummenspiel, das schafft zwar Ordnung, aber keine Begrenzung.»

Deutschland hat im vergangenen Jahr mehr Menschen Asyl oder einen anderen Schutzstatus gewährt als alle anderen 27 EU-Staaten zusammen. Laut Eurostat wurden 2017 rund 60 Prozent der positiven Entscheidungen in der EU hierzulande gefällt.

 

Migration Mutter aller Probleme?

Auch die «Welt» und die «Bild»-Zeitung zitierten Seehofer aus Teilnehmerkreisen der Klausur der CSU-Landesgruppe am Mittwoch in Neuhardenberg mit der Äußerung, die Migration sei die Mutter aller Probleme.

Zuvor hatte Seehofer am Mittwoch in Neuhardenberg voreilige Äußerungen nach den Protesten in Chemnitz kritisiert. Der CSU-Vorsitzende sagte, er sei «immer dafür, dass man sich als Politiker zu solchen Dingen erst einlässt, wenn man authentische Informationen hat». Deshalb habe er selbst sich erst einmal bei der Landesregierung und der Polizei erkundigt.

 

Vorwurf der „Hetzjagd“

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte nach den Übergriffen in Chemnitz Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) widersprochen, die «Hetzjagden» auf Ausländer verurteilt hatte. Kretschmer sagte, das Geschehen in Chemnitz müsse richtig beschrieben werden. «Klar ist: Es gab keinen Mob, keine Hetzjagd und keine Pogrome», so Kretschmer. Merkel bekräftigte am Mittwoch ihre Verurteilung der Auseinandersetzungen und Proteste.

Sachsens Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) sagte mit Blick auf Kretschmers Äußerungen, dass «Geflüchtete durch die Stadt getrieben wurden». «Das ist passiert, das ist real. Und es ist beklemmend, weil man wirklich sieht, wie viel Hetze dabei ist und wie aus Hass auch Gewalt wird», sagte Dulig am Mittwochabend in der Sendung «Stern TV».

 

 

dpa

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