Fr., 12.07.2019 , 14:44 Uhr

Versuchter Mord im Fahrstuhl - Opfer setzt sich für Täter ein

Der Aufzug fährt nur kurz, einmal von der Tiefgarage in den ersten Stock. Als die Tür sich öffnet, steckt im Rücken der Frau ein Messer. Im Spiegel des Lifts habe sie es gesehen, aber nicht gespürt, sagt die 57-Jährige vor dem Landgericht München I. Dort hat sie als Nebenklägerin gegen ihren Ex-Freund ausgesagt, der sich seit Freitag vor Gericht verantworten muss. Die Staatsanwältin warf dem Angeklagten zum Prozessauftakt versuchten Mord vor. Der 63-Jährige soll seine Ex-Partnerin im Dezember in deren Mehrfamilienhaus – wie mehrfach zuvor – aufgelauert haben, ihr in den Fahrstuhl gefolgt sein und sie mit einem Messer verletzt haben.

 

«Das Problem, dass ich mich nicht wehren konnte, war der enge Aufzug», sagt die Frau aus München. Sie sei in der Tiefgarage von ihrem Auto zum Fahrstuhl gegangen. Dort habe ihr Ex-Freund auf sie gewartet und betrunken auf sie eingeredet. Zu zweit gingen sie in den Fahrstuhl – die Aussagen des Opfers stimmen mit der Anklage der Ermittler überein. Er habe gegen ihren Willen unbedingt mit in die Wohnung gewollt, sagt sie. «Plötzlich hat er das Messer in der Hand.» Beim Wegducken habe er ihr in den Rücken gestochen, auch am Hals habe sie eine Schnittwunde gehabt. Die Wunden wurden im Krankenhaus genäht, wie sie sagt. Nachbarn hörten ihre Schreie und halfen ihr. Polizisten nahmen den mutmaßlichen Täter in der Nähe des Hauses fest.

 

Trotz der Vorwürfe des versuchten Mordes scheint die Zuneigung der beiden zueinander einiges auszuhalten. Vor Gericht entschuldigt sich der Angeklagte mit somalischem Pass über seine Anwältin. Die Verteidigerin erklärt: «Er kann sich heute diese Tat in keinster Weise mehr erklären.» Direkt an seine Ex-Freundin gerichtet, sagt der 63-Jährige über eine Dolmetscherin: Er habe sie noch immer lieb. Seine Ex-Freundin sagt, sie könne nicht glauben, dass er sie verletzten wollte. Vielmehr habe ihr früherer Partner sie erschrecken wollen, ist sie überzeugt.

 

Der Angeklagte ist den Richtern zufolge unter anderem wegen Bedrohung, versuchter Vergewaltigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung vorbestraft. Er saß bereits mehr als zweieinhalb Jahre im Gefängnis.

 

Die Beziehung der beiden hatte vor fast neun Jahren begonnen. «Er war der Prinz, der mich auf Händen trägt», sagt die Frau. Mit seiner Arbeitslosigkeit habe sich ihr Freund verändert und sehr viel Alkohol getrunken. Nach dem Ende der Beziehung im vergangenen Sommer sei er immer wieder vor ihrer Tür gestanden. Sie müsse die Wohnung verkaufen, weil sie täglich in der Tiefgarage an der Aufzugtür vorbei müsse und die Erinnerungen an den Vorfall nicht ertrage. Trotzdem hält sie fest zu ihrem Ex-Freund: «Ich will nicht schuld sein, dass er ins Gefängnis muss.» Das Urteil wird für den 2. August erwartet.

dpa

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