Fr, 22.01.2016 , 09:35 Uhr

Zschäpe-Vernehmung: Mühsam, aber spannend

Ein Chemnitzer Neonazi soll eine Waffe mit Schalldämpfer beschafft haben. In ihrer zweiten Aussage im NSU-Prozess gibt Beate Zschäpe manch neue Information preis. Aber gleichzeitig wird klar: Ihre weitere Vernehmung könnte sehr zäh verlaufen.

 

 

Sehr viel umständlicher als Beate Zschäpe lässt sich ein Angeklagter vor Gericht wohl nicht vernehmen. Im Dezember brach sie ihr jahrelanges Schweigen und ließ einen ihrer Anwälte eine Erklärung verlesen. Der Richter stellte zahlreiche Nachfragen. Die beantwortete sie erst jetzt, einen Monat später, wieder verlesen von einem ihrer Anwälte.

 

 

So umständlich das Prozedere, so spannend war manche Antwort. Dazu gehörten Zschäpes Aussagen zu den Helfern aus der Neonazi-Szene in Sachsen. Jan W., Anführer der seit 2000 verbotenen Organisation „Blood & Honour“, habe ihren Kameraden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eine Waffe organisiert. Das habe Böhnhardt ihr erzählt, und nach ihrer Erinnerung sei da auch von einem Schalldämpfer die Rede gewesen.

 

Das könnte stimmen. Ein V-Mann namens „Piatto“ hatte exakt diese Information schon damals, 1999, dem brandenburgischen Verfassungsschutz gesteckt. „Piatto“ und seine V-Mann-Führer hatten dazu als Zeugen ausgesagt. Jan W. war ebenfalls nach München geladen, hatte aber jede Aussage verweigert, mit der Begründung, er müsse sich selbst nicht strafrechtlich belasten.

 

Den engsten Draht nach draußen hatte Zschäpe nach ihren Worten aber zu André E. und dessen Familie. E. habe zwei der Fluchtwohnungen des NSU-Trios gemietet und Bahncards und Krankenkassenkarten zur Verfügung gestellt. Man habe sich häufig getroffen, vor allem, als 2006 das zweite Kind der Familie E. auf der Welt war.

 

Sie und E.s Ehefrau seien am liebsten mit den Kindern auf einen Spielplatz gegangen, sagt Zschäpe. Das habe sie genossen, weil sie – auch das ist eine Enthüllung – selbst keine Kinder bekommen könne. Sie erwähnte zwei „gynäkologische Operationen“, die damit zusammenhängen mögen. Mit E.’s Ehefrau sei sie außerdem manchmal im Kino gewesen und habe einmal eine Vorstellung der Komikerin „Cindy aus Marzahn“ besucht.

 

2006 war allerdings auch das Jahr, in dem der NSU – laut Zschäpe nur Mundlos und Böhnhardt – ihre letzten Morde verübt haben sollen. Das neunte und letzte Opfer dieser Serie, Halit Yozgat, wurde am 6. April 2006 in seinem Internet-Café in Kassel erschossen. Ob es Zufall ist, dass die Freundschaft zu Familie E. erst nach dem Ende dieser Serie aufblühte, dürfte das Gericht wohl noch interessieren.

 

Was den zehnten NSU-Mord betrifft, den an der Polizistin Michèle Kiesewetter ein Jahr später in Heilbronn, da bekräftigte Zschäpe, was sie schon im Dezember aussagte. Es sei den Männern nur um die Waffen Kiesewetters und ihres Kollegen gegangen. „Sie behaupteten allen Ernstes, dass es einfacher sei, einen nichtsahnenden Polizisten zu überfallen als einen Waffenhändler“, heißt es in ihrer Aussage. Gleichzeitig befeuerte sie Spekulationen um diesen ohnehin nach wie vor rätselhaften Anschlag: „Ich glaube, dass etwas anderes dahinter steckte.“

 

Aber was, das hätten ihr ihre beiden Uwes nicht erzählt. Beide hätten ihr nur begrenzt vertraut. Einer der beiden habe ihr einmal gesagt: „Auf Dich ist kein Verlass“. Die beiden hätten gefürchtet, sie würde „singe“, sollte sie je von der Polizei gefasst werden.

 

Genau das sei vorübergehend auch ihr Plan gewesen. Sie habe sich stellen wollen und darüber mit einem Anwalt gesprochen, während die beiden Uwes in Südafrika von vorn anfangen wollten. Aus beidem sei nichts geworden. Die folgenden Jahre mit den beiden Männern schildert sie als trübselig. Sie habe viel getrunken, bis zu drei Flaschen Wein oder Sekt am Tag, Böhnhardt habe sie geschlagen. Eine Beziehung führte sie seit dem Abtauchen in den Untergrund wohl mit keinem von beiden, so deutet sie es an einer Stelle an.

 

Als dann am 4. November 2011 Mundlos und Böhnhardt bei einem Bankraub in Eisenach gesehen wurden und sich wenig später in einem Wohnmobil das Leben nahmen, da will sie das aus dem Radio erfahren haben, bekräftigte Zschäpe. Nachdem Sie die Fluchtwohnung in Brand setzte, habe ihr dann André E. ein letztes Mal geholfen. Sie habe ihn angerufen und sei zu ihm gefahren. Sie habe Kleidung von seiner Frau gewollt, „weil ich total nach Benzin gestunken habe“. Anschließend sei sie mit der Bahn „quer durch Ost- und Norddeutschland“ gefahren. Nach vier Tagen habe sie sich in Jena einen Anwalt gesucht und sich gestellt.

 

Für das Gericht ist Zschäpes Einlassung wohl eher schwierig. Manches davon deckt sich mit Ermittlungsergebnissen, anderes ist schwer zu überprüfen. Das Gericht dürfte jetzt mehr offene Fragen haben als vorher – die der Richter dann wohl wieder einem der Anwälte diktieren wird, der sie dann wiederum mit Zschäpe bespricht und womöglich wieder Wochen später in der Verhandlung verliest.

 

 

dpa

AUssage NSU Prozess Zschäpe

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