Mi, 24.09.2014 , 12:02 Uhr

24 Stunden Wiesn: Schön aber anstrengend

Mehr als sechs Millionen Menschen zieht es jährlich zum größten Volksfest der Welt – dem Oktoberfest. Wer von früh bis spät über die Theresienwiese schlendert, merkt schnell: Eine Pause gibt es hier nicht.

München – Ein Werktag auf der Wiesn. 5.30 Uhr: Der nasse Asphalt glänzt im Scheinwerferlicht der Lieferwagen. Eine Kehrmaschine dreht ihre letzten Runden zwischen Festzelten und Fahrgeschäften, um die Spuren des vergangenen Abends zu tilgen. Ihr gelbes Blinklicht erhellt die Dunkelheit. Gabelstapler laden Bierfässer von Lkw-Anhängern. Geschäftiges Treiben am frühen Morgen.

 

 

7.30 Uhr: Kimo schnüffelt an einem Feuerlöscher, der auf der Empore im Hofbräu-Zelt herumsteht. Zweimal führt der Hundeführer den belgischen Schäferhund an dem Gegenstand vorbei. «Ist sauber», sagt er. Jeden Morgen zieht die Polizei mit Hunden durch die Zelte, um nach Sprengstoff zu suchen. Währenddessen wird in der Küche des Zeltes schon gewerkelt, Kellner beginnen mit dem Decken der Tische. «Eigentlich müssten wir hier nach unserer Suche alles absperren, bis die Besucher kommen», sagt der Einsatzleiter. «Solange hier jeder rein und raus kann, gibt es keine absolute Sicherheit.»
9.00 Uhr: Die ersten Imbissbuden und Souvenirgeschäfte ziehen ihre Rollläden hoch. Der Geruch von gebratenem Hendl weht über die Theresienwiese. Der Betreiber eines Brotzeit-Standes klagt über den Regen am ersten Wochenende: «Was da an Kunden gefehlt hat, holen wir nicht mehr rein.» Seit 25 Jahren verkaufe er auf dem Oktoberfest. «Früher hab ich damit mal Geld verdient, inzwischen ist es nur noch Tradition.» Unterdessen stehen die Besucher vor dem Hacker-Zelt schon bis auf die Straße.

 

Oide Wiesn ist eine eigene Welt

 

10.30 Uhr: Vormittags ist Kinder-Zeit. Überall laufen die Kleinen herum, mal mit orangenen Mützen, mal mit gelben Warnwesten. «Sitzen bleiben», mahnt die Erzieherin beim Karussellfahren. Das fröhliche Geschnatter der Kinder ist weithin zu hören. «Achterbahn, Achterbahn», rufen sie im Chor. Noch schieben sich keine Menschenmassen über die Theresienwiese, nur selten läuft Musik. Perfekt für den Ausflug mit der Kindergarten-Gruppe.

 

13.00 Uhr: Hochkonzentriert blickt das kleine Mädchen mit den geflochtenen Zöpfen und dem weiß-blau karierten Rock auf die leere Flasche. Mit der Angelrute in der Hand soll sie den Korken genau auf die Flasche setzen – ein Geschicklichkeitsspiel für Kinder auf der Oidn Wiesn im Süden des Festgeländes. Wenige Meter weiter tutet und zischt eine historische Dampflok von 1911, im Herzkasperl-Festzelt tanzen Kinder zur Musik der Blaskapelle. Die Oide Wiesn ist eine eigene kleine Welt, getrennt vom Rest des Fests durch einen Zaun, den nur passieren darf, wer drei Euro Eintritt bezahlt. Kinder sind frei.

 

 
15.30 Uhr: «Auf geht’s, geht weiter bis zur nächsten Tür.» Freundlich, aber bestimmt, tönt die Stimme aus dem Lautsprecher der U-Bahn-Station Theresienwiese. Mit sanfter Gewalt verladen die Mitarbeiter der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) die Abreisenden in die Züge. Rund 20 000 Fahrgäste drängen hier in den Spitzenstunden in die U-Bahn, hat MVG-Sprecher Matthias Korte ausgerechnet. Hier ist immer was los.

 

17.30 Uhr: Jacken, Taschen, Hüte, Handys, Brillen, Schmuck – alles fein säuberlich nummeriert und in langen, grauen Regalen und Schubladen verstaut. Im Wiesn-Fundbüro hinter dem Schottenhamel-Zelt herrscht akribische Ordnung. «Nur das Iphone 6 fehlt uns noch in der Sammlung», sagt Maik Müller vom städtischen Fundbüro. «Da warten wir noch drauf.» An der Theke steht ein junger Brasilianer im gelben T-Shirt. «Ich hatte die Jacke meiner Freundin doch gerade noch in der Hand – und dann war sie weg», klagt er. Müller führt den jungen Mann zu einem Regal voller Jacken. Die Richtige ist leider nicht dabei.

 

 

Alkoholkonsum macht sich bemerkbar

 

19.00 Uhr: Ruhig ist es in der Erste-Hilfe-Station des Roten Kreuzes hinter dem Schottenhamel-Festzelt. Plötzlich öffnen sich die Türen, und ein junger Mann in Lederhosen wird auf einer Liege hereingefahren, die Augen ins Leere starrend. «Unser Standard-Patient», sagt Einsatzleiter Georg Voit und blickt auf den Betrunkenen. Ab geht’s ins Ausnüchterungszimmer. 15 Liegen stehen hier, getrennt durch weiße Sperrholz-Stellwände. «Am Wochenende sind die immer voll», erzählt Voit. Wer um ein Uhr nachts immer noch nicht selber gehen kann, wird in eine Klinik gebracht.
20.00 Uhr: Die Zeichen übermäßigen Alkoholkonsums werden deutlicher. Ein junger Tourist, in die irische Flagge gehüllt, läuft in Strümpfen über den vom Regen nassen Asphalt. Einen Schuh hat er in der Hand, vom zweiten fehlt jede Spur. Bei «Hau den Lukas» ist der ein oder andere schon nicht mehr ganz so treffsicher.

 

«Als wenn heute Samstag wäre»

 

21.00 Uhr: Der Regen hat die Wiese hinter den Festzelten in eine Matsch-Landschaft verwandelt. Hier seinen Rausch auszuschlafen, schreckt auch die Hartgesottenen. Sie hocken lieber am Rand auf dem niedrigen Holzbalken, die Gesichter in den Händen vergraben. Ein kräftig gebauter Mann mit Irokesen-Haarschnitt nutzt die freie Wiese und pinkelt in hohem Bogen in den Matsch.

 

 

22.00 Uhr: Das kalte, feuchte Wetter treibt die Leute in die Festzelte. Im Hofbräu-Zelt ist kurz vor Schluss noch richtig was los. Jung und Alt tanzen ausgelassen auf den Bänken, selbst in den Gängen ist fast kein Durchkommen. Als die Blaskapelle einen Song von Helene Fischer anstimmt, ist die Stimmung auf dem Höhepunkt. Das ganze Zelt singt aus voller Kehle mit. «Als wenn heute Samstag wäre», sagt Hofbräu-Sprecher Stefan Hempl begeistert.

 

Müllberge am Straßenrand

 

23.00 Uhr: Der Boden klebt unter den Füßen. Überall liegen zerbrochene Maßkrüge, angebissene Brezn herum, dazwischen ein brauner Lederschuh. Unbeeindruckt von all dem Chaos wischt Kellnerin Silvia Ostermeier die Tische ab. «Um den Boden müssen wir uns zum Glück nicht kümmern.» Dem rücken wenig später junge Männer mit dem Dampfstrahler zu Leibe. Bis tief in die Nacht wird hier geschrubbt.

 

 

0.30 Uhr: Die Musik ist verstummt, die Buden sind geschlossen, die bunten Lichter der Fahrgeschäfte ausgeschaltet. Die letzten Lederhosen wanken dem Ausgang entgegen. Drei Männer haben die Arme um die Schultern der anderen geschlungen, um sich auf den Beinen zu halten. Müllberge türmen sich an den Rändern der Wege. Die Straßenreinigung beginnt ihre Nachtschicht.

 

dpa/make

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