Eine alte Frau ist im Seniorenheim an einer Überdosis Tabletten gestorben. Hat sich die an beginnender Demenz leidende 81-Jährige das Leben genommen? Eine Reihe von Indizien spricht dagegen. In München muss sich jetzt eine Pflegerin gegen den Vorwurf des Mordes verteidigen.
Eine ausgebildete Krankenschwester, zuletzt Pflegerin in einem Seniorenheim in oberbayerischen Kreuth, soll einer Bewohnerin im Mai 2012 einen Cocktail aus verschiedenen Medikamenten gewaltsam eingeflößt und sie damit getötet haben. Heimtückischen Mord aus Habgier und zur Verdeckung einer Unterschlagung wirft die Staatsanwaltschaft der Angeklagten vor dem Münchner Schwurgericht vor.
Zum Prozessauftakt am Donnerstag hat die 42-Jährige das Verbrechen bestritten. Die zunehmend demente alte Frau habe sich aus Angst vor der Einlieferung in die Psychiatrie das Leben genommen, beteuerte die Angeklagte. Sie gab aber zu, der Seniorin geholfen zu haben: «Sie hat mir so leidgetan.»
Die Anklage geht davon aus, dass die zur Verfügung über ihr Vermögen nicht mehr berechtigte alte Dame der Pflegerin mehrere Schmuckstücke geschenkt hat. Da dies ohne Zustimmung ihres Betreuers erfolgte, habe die 42-Jährige mit Rückforderung des Schmucks rechnen müssen.
Die Angeklagte gab zu, den Schmuck unberechtigt angenommen zu haben. Sie habe das nicht gewollt, aber die alte Dame habe unwirsch auf ihre Weigerung reagiert, sagte die Pflegerin vor Gericht. Im Polizeiverhör hatte sie den Empfang der kostbaren Geschenke geleugnet – «ich hatte Angst, für eine Diebin gehalten zu werden». Der Staatsanwalt wies sie auf den Widerspruch hin und ermahnte sie, ihre Aussage noch einmal zu überdenken, doch die Angeklagte blieb bei ihrer Darstellung.
Die 81-Jährige hatte zwei Selbstmordversuche hinter sich, die laut Anklage die Pflegerin zum Mord anregten. Nach dem Umzug ins Heim habe sich der Gemütszustand der alten Frau aber aufgehellt, von Suizid sei keine Rede mehr gewesen – so sieht es die Staatsanwaltschaft. «Sie wollte wirklich aus dem Leben scheiden», versicherte dagegen die Angeklagte.
Das habe die Seniorin ihr gegenüber immer wieder geäußert. Warum außer ihr niemand im Heim einen solchen Todeswunsch gehört habe, wollte der Vorsitzende Richter wissen. Zu ihr habe die alte Dame halt Vertrauen gehabt, erwiderte die Angeklagte. «Es war eine Art Freundschaft zwischen uns entstanden.»
Der Prozess dauert an.
jn / dpa