Fast 250 Verhandlungstage lang hat Beate Zschäpe geschwiegen. Nun will sie im NSU-Prozess aussagen, wenn auch nicht persönlich. Was steht in ihrer Erklärung? Die Spannung ist immens – doch Angehörige von NSU-Mordopfern und deren Anwälte dämpfen die Erwartungen.
Hochspannung im Münchner NSU-Prozess: Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe will am Mittwoch ihr mehr als zweieinhalbjähriges Schweigen brechen. Ihr Anwalt Mathias Grasel will ihre Aussage verlesen. Er hat eine umfassende Erklärung angekündigt: Zschäpes Aussage soll Angaben zu allen Anklagepunkten enthalten, die die Bundesanwaltschaft dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) vorwirft, also auch zu den zehn Morden.
Die erwartete Aussage der Hauptangeklagten Beate Zschäpe sorgt für einen großen Zuschauerandrang. Bereits Stunden vor Beginn der Verhandlung am Mittwoch warteten die ersten Besucher am Mittwochmorgen vor dem Eingang des Oberlandesgerichts. Es bildete sich eine Schlange von rund 150 Wartenden. Im Sitzungssaal 101 des Oberlandesgerichts ist allerdings nur Platz für rund 50 Zuschauer und 50 Journalisten.
Zschäpe muss sich vor dem Oberlandesgericht als Mittäterin an samtlichen Verbrechen verantworten, die dem NSU angelastet werden. Seit Prozessbeginn im Mai 2013 hat sie beharrlich geschwiegen.
Grasel hat angekündigt, dass Zschäpe auch Fragen beantworten will – aber nur des Gerichts, und nur schriftlich und erst später. Konkret hat er den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl um einen schriftlichen Fragenkatalog gebeten. Den will er mit Zschäpe durcharbeiten und dann antworten. Ob das Gericht damit einverstanden ist, ist noch offen.
Angehörige von NSU-Mordopfern und deren Anwälte dämpften die Erwartungen. Der Anwalt der Münchner Familie Boulgarides, Yavuz Narin, sagte, das von Zschäpe und ihren Anwälten geplante Prozedere spreche „nicht unbedingt für die Glaubhaftigkeit irgendwelcher Aussagen“. „Wir hätten es besser gefunden, wenn sie auch selber redet und dazu beiträgt, dass die ganze Wahrheit über den NSU herauskommt.“ Vater Theodoros Boulgarides war 2005 in München erschossen worden, mutmaßlich von Zschäpes Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Die beiden sind tot, Zschäpe ist die einzige Überlebende des Trios.
Auch Gamze Kubasik, die Tochter des in Dortmund ermordeten Mehmet Kubasik, sagte mit Blick auf Zschäpes Aussage, sie habe keine große Hoffnung – „weil ich einfach glaube, dass da nicht die Wahrheit gesagt wird“. „Natürlich ist mein Wunsch eine hundertprozentige Aufklärung. Aber ich weiß, das wird niemals geschehen“, sagte sie.
Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer, Barbara John, sagte der „Berliner Zeitung“ am Mittwoch: „Was ich mir wünsche und was die Familien sich wünschen, ist ein Reuebekenntnis und eine Klärung der immer wieder bohrenden Frage: Warum musste gerade mein Angehöriger sterben?“ Das wäre eine „Art Befreiung“, so John.
Die Erklärung Zschäpes war eigentlich schon vor vier Wochen geplant gewesen. Ein Befangenheitsantrag des Mitangeklagten Ralf Wohlleben machte den Zeitplan aber zunichte, mehrere Prozesstage fielen aus. Anschließend verzögerte sich die Aussage, weil ein Anwalt Zschäpes im Urlaub war: Hermann Borchert, ein Kanzleikollege von Grasel. Ihn hätte Zschäpe nun auch gerne als Pflichtverteidiger an ihrer Seite – bisher ist er Wahlverteidiger. Das hat sie beim Gericht beantragt.
dpa
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