„Kasperltheater“ sagt ein CSU-Abgeordneter zu dem, was sich da seit langem, aber immer intensiver innerhalb des Kabinetts abspielt: Markus Söder und Ilse Aigner bringen sich gewissenhaft für den entscheidenden Kampf um die Seehofer-Nachfolge in Stellung.
200 Millionen Euro. Am Finanzminister vorbei, mal eben so, fast nebenbei. Markus Söder war, so berichteten CSU-Leute, stinksauer. 200 Millionen Euro schlug Wirtschaftsministerin Ilse Aigner vor rund zwei Wochen bei Ministerpräsident Horst Seehofer für ihre Digitalisierungsstrategie heraus. Söder wurde darüber nicht informiert, weder von Aigner noch von Seehofer. Als er in der laufenden Kabinettssitzung von dem Geheimkommando erfuhr und Protest einlegte, stellte Seehofer klar, wo’s langgeht. Und aus, basta.
Diese jüngsten Ereignisse innerhalb des Kabinetts haben wohl auch dem letzten in der CSU verdeutlicht, was für andere quasi seit Jahren offensichtlich ist: Da bringen sich zwei Politiker gewissenhaft für den entscheidenden Kampf um die Seehofer-Nachfolge in Stellung. Da geht es um Pluspunkte bei Kollegen ebenso wie in der Bevölkerung.
Meistens sind es nur Kleinigkeiten, die ins Auge fallen und die am Ende ein Gesamtbild ergeben: Termine, Pressemitteilungen, Twitter-Nachrichten. Wie in genau der oben erwähnten Woche, in der Aigner im Landtag ihre Regierungserklärung hielt – am Donnerstag.
Zufall oder nicht, jedenfalls lud Söder sowohl für Mittwoch als auch für Freitag zu Pressekonferenzen: am Freitag zu den Ergebnissen der Steuerschätzung, am Mittwoch zum Thema Erbschaftsteuerreform. Und Zufall oder nicht, jedenfalls ließ Aigner tags zuvor, am Dienstag, noch schnell eine Pressemitteilung zum Thema Erbschaftsteuer verbreiten. Und Zufall oder nicht, jedenfalls twitterte Söder nur Stunden nach Aigners „digitaler“ Regierungserklärung eine Foto von ihm und „Bild“-Chef Kai Diekmann – zum Thema Digitalisierung.
Dass all das Zufall ist, glaubt in der CSU kaum jemand. Von Söder sagt man ohnehin seit Jahren, dass er zielstrebig auf das eine große Ziel hinarbeite, einmal bayerischer Ministerpräsident zu werden. Aber auch Aigner, die in der ersten Phase der Legislaturperiode eher blass wirkte, hat dieses Ziel vor Augen. Siehe die 200 Millionen.
Aigner muss auch aufholen: In der letzten Bayerntrend-Umfrage des Bayerischen Rundfunks lag Aigner deutlich hinter Söder: 41 Prozent der Befragten sagten da, Söder sei der beste CSU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2018. Nur 24 Prozent sagten dies über Aigner.
„Das hat sie elektrisiert und schockiert“, berichtet ein CSU-Mann. Inzwischen aber habe Aigner mit ihren Getreuen gesprochen – und gemeinsam habe man den Schluss gezogen, sich nicht geschlagen zu geben. Seither sei die Ministerin auch viel aktiver geworden.
Zufall oder nicht, jedenfalls lädt Aigner jetzt in allen bayerischen Regionen zu „Wirtschaftsgesprächen“ ein. Heimatminister Söder feiert dagegen persönlich quasi jeden Meter neu verlegtes Glasfaserkabel, um schnelles Internet aufs Land zu bringen. Aigner wiederum lädt zu ihrer Jahrespressekonferenz nicht wie üblich ins Ministerium, sondern in ein Hochhaus mit Blick weit über München. „Aigner reagiert inzwischen mit vergleichbaren Gags“, sagt ein Landtagsabgeordneter.
Und dann die Sache mit den Briefen. „Es ist so, dass die Abgeordneten ständig Post bekommen“, berichtet einer der Adressaten in der CSU. „Wir bekommen fast schon jede Woche einen oder zwei Liebesbriefe von immer den gleichen Absendern. Mal steht „Dein Markus“ drunter, mal „Deine Ilse“.“ Darin gehe es dann um geplante Projekte, um die Arbeit der Ressorts – und oft genug um Dinge, die eh längst bekannt seien.
Von Söder wird zudem kolportiert, dass er sich intensiv um die Gunst oberbayerischer Abgeordneter bemühe. Die Oberbayern-CSU verweist dagegen auf das besondere bayerische Landtagswahlrecht und macht schon die Rechnung auf, dass ein oberbayerischer Spitzenkandidat viel mehr Stimmen ziehe. So weit geht dies schon, dass einzelne munkeln, ein fränkischer Spitzenkandidat könne die absolute Mehrheit kosten.
Klar ist aber: Eine Entscheidung – Söder oder Aigner oder vielleicht ja doch Joachim Herrmann oder Marcel Huber oder jemand ganz anderes – steht auf absehbare Zeit noch nicht an. Seehofer sitzt aktuell fest im Sattel, eine Revolution wäre chancenlos. Und da Seehofer bis 2018 regieren will, gibt es eigentlich auch keinerlei Eile. „Heiß wird es frühestens Ende 2016“, sagt ein CSU-Vorständler – das wäre in Sichtweite der Bundestagswahl und der Parteivorsitzendenwahl 2017. Es müssen also vermutlich noch einige „Liebesbriefe“ geschrieben werden.
rg / dpa