Fr., 22.02.2019 , 15:13 Uhr

Weichenstellung aus Karlsruhe - BGH kommt Dieselklägern zu Hilfe

Dieselkäufer warten dringend auf ein Grundsatz-Urteil zu ihren Ansprüchen im Abgasskandal. Jetzt hat VW schon wieder mit einem Vergleich eine wichtige BGH-Entscheidung verhindert. Die Richter finden trotzdem einen Weg, den Klägern den Rücken zu stärken.

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) springt klagenden Dieselkäufern zur Seite und meldet sich erstmals mit einer rechtlichen Einschätzung zu Wort. Demnach ist die illegale Abgastechnik in den Autos als Sachmangel einzustufen, wie das Gericht am Freitag in Karlsruhe mitteilte. Es kündigte dazu „in Kürze“ die Veröffentlichung eines umfangreichen Hinweisbeschlusses vom 8. Januar an. Das Dokument sollte voraussichtlich allerdings erst Anfang kommender Woche online gestellt werden.

 

Die obersten Zivilrichter stellen außerdem klar, dass Händler betroffenen Neuwagenkäufern die Lieferung eines anderen Autos ohne das Problem nicht einfach verwehren können, nur weil das Modell nicht mehr hergestellt wird. Der Austausch könne höchstens daran scheitern, dass im einzelnen Fall die Kosten unverhältnismäßig hoch seien.

 

Der 19-seitige Hinweisbeschluss gibt die vorläufige Einschätzung des Senats wieder und ist noch kein Urteil. Dennoch gehe davon für die unteren Instanzen eine Signalwirkung aus, sagte BGH-Sprecherin Dietlind Weinland. „Es ist zu erwarten, dass sie sich an dieser vorläufigen Rechtsauffassung orientieren werden.“

 

VW teilte mit, dies lasse noch keine Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten solcher Kundenklagen zu. Erst recht ließen sich daraus keine Folgerungen für die Erfolgsaussichten von Klagen gegen die Volkswagen AG ziehen, sagte ein Sprecher des Autokonzerns in Wolfsburg. Tatsächlich äußerten sich die Karlsruher Richter nur zu Ansprüchen, die Dieselkäufern gegen den Autohändler entstehen können.

 

Dass der BGH von sich aus mit rechtlichen Hinweisen in die Initiative geht, hat Seltenheitswert. Anlass war die kurzfristige Absage einer Verhandlung am 27. Februar. An diesem Tag sollte eigentlich über die erste Klage im Zusammenhang mit dem Dieselskandal verhandelt werden, die es bis in die letzte Instanz geschafft hat. Dieser Termin ist laut BGH aufgehoben. Der klagende Käufer eines VW Tiguan habe seine Revision zurückgenommen, weil sich die Parteien verglichen hätten.

 

Das bedeutet, dass der Kläger Geld bekommen hat. Verbraucheranwälte werfen den Autokonzernen schon länger vor, gezielt Vergleiche zu schließen, um ein höchstrichterliches Urteil zu vermeiden. Mit dem Rückzieher wird das vorinstanzliche Urteil des Bamberger Oberlandesgerichts rechtskräftig. Dort war der Käufer unterlegen.

 

Der Mann wollte erreichen, dass sein Autohändler einen kurz vor Bekanntwerden des Abgasskandals 2015 neu gekauften VW Tiguan zurücknimmt und ihm dafür ein anderes Auto ohne das Problem gibt. Das wurde von den Gerichten mit der Begründung abgewiesen, dass der Fahrzeugtyp so nicht mehr hergestellt wird. Es sei deshalb gar nicht möglich, ein gleichartiges und gleichwertiges Auto zu liefern.

 

Diese Einschätzung hält der BGH für fehlerhaft. Ein «mehr oder weniger großer Änderungsumfang» dürfte „für die Interessenlage des Verkäufers in der Regel ohne Belang sein“, hieß es.

 

Dass ein Sachmangel vorliegen dürfte, begründen die Richter mit der Gefahr, dass die Behörden dem Käufer die Betriebszulassung entziehen. Damit fehle es „an der Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung“ – nämlich die Nutzung des Autos im Straßenverkehr.

 

Der ADAC begrüßte die Klarstellungen. „Damit ist in diesem Punkt endlich Rechtssicherheit geschaffen“, teilte der Autofahrerclub mit.

 

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, sagte, nun sei klar, dass nach höchstrichterlicher Auffassung die Verwendung einer Abschalteinrichtung der Abgasreinigung nicht hinzunehmen sei. Die Äußerungen hätten auch Signalwirkung für die Musterfeststellungsklage von vzbv und ADAC gegen VW. Dabei soll es um Schadenersatzansprüche gehen. Inzwischen haben sich mehr als 400 000 Autobesitzer angeschlossen.

 

Außerdem sind derzeit nach VW-Angaben bundesweit etwa 50 000 Kundenklagen anhängig, die die Volkswagen AG, eine Konzerngesellschaft oder einen Händler betreffen. 14 000 Urteile oder Beschlüsse seien ergangen, mehrheitlich im Sinne des Konzerns.

 

dpa

Auto BGH Dieselskandal München Verkehr vw

Das könnte Dich auch interessieren

14.02.2025 Bundesanwaltschaft übernimmt Ermittlungen zu Auto-Anschlag Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen zu dem Anschlag in München mit 37 Verletzten übernommen. Die Karlsruher Behörde erklärt das mit der besonderen Bedeutung des Falls und einem möglichen Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung.   Wegen der besonderen Bedeutung des Falls hat jetzt die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen zu dem Anschlag auf Demonstranten in München mit 13.08.2025 Münchener Klischees widerlegt: Diese 3 Dinge stimmen einfach nicht! Klischee #1: München ist teuer Unbestritten führt München die Liste der teuren Städte in Deutschland an, vor allem wenn es um Wohnungen in der Altstadt, im Lehel oder in Schwabing geht. Quadratmeterpreise von 20 oder 30 Euro sind dort keine Ausnahme, sondern bittere Realität. Doch wer glaubt, das gesamte Stadtgebiet schwimme in einem Ozean aus 06.08.2025 Die Münchner Altstadt – was gibt es zu sehen? Marienplatz in München Der zentrale Stadtplatz wurde in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts unter der Herrschaft des bayerischen Herzogs Heinrich des Löwen angelegt. Seinen Namen verdankt der historische Platz der Heiligen Jungfrau Maria – er wurde ihr jedoch erst 1807 verliehen, in der Hoffnung, dass die Schutzpatronin München vor einer Cholera-Epidemie bewahren würde. Seit 17.06.2025 Der Start-Up-Spirit Münchens und was er mit Kryptowährungen zu tun hat Denn München gehört zu den Städten, die vor Tech-Insider und Finanz-Experten nur so wimmelt. Es ist also kein Wunder, dass das Thema Krypto hier so richtig hoch im Kurs ist. Und das schon längst nicht mehr nur bei ein paar wenigen. Denn selbst Menschen, die eigentlich überhaupt nichts mit der Szene zu tun haben, sehen