Di., 28.03.2017 , 11:58 Uhr

Zschäpe-Pflichtverteidiger wollen Entlassung aus NSU-Prozess

Fast drei Wochen lang sind im NSU-Prozess wegen Befangenheitsanträgen die Verhandlungstermine ausgefallen. Stattdessen gingen Schriftsätze hin und her, die es in sich haben. Die Zschäpe-Verteidigung steckt wieder in der Krise. Drei ihrer Anwälte fühlen sich belogen.

 

Drei der Pflichtverteidiger der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe haben die Entlassung aus dem NSU-Prozess beantragt. Eine Fortsetzung ihrer Tätigkeit sei für sie «auch in persönlicher Hinsicht nicht mehr zumutbar», schrieben die Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Sie reagierten damit auf einen Brief Zschäpes an den 6. Strafsenat des Münchner Oberlandesgerichts. Darin hatte sie sich von mehreren Befangenheitsanträgen gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl und einen Beisitzer distanziert, die Heer, Stahl und Sturm außerhalb der Verhandlung vergangene Woche in Zschäpes Namen gestellt hatten.

 

In einem Schreiben an das Gericht machten die drei Anwälte geltend, sie hätten ihr Vorgehen abgesprochen und seien von einem Einverständnis Zschäpes ausgegangen. Detailliert beschreiben sie eine Folge an E-Mails und Telefonaten mit Zschäpes viertem Pflichtverteidiger, Mathias Grasel. Grasel war im Sommer 2015 zusätzlich berufen worden, nachdem sich Zschäpe mit Heer, Stahl und Sturm überworfen hatte.

 

Grasel habe erklärt, er gebe „schon mal ein Einverständnis“ und er sehe „keine Gefahr“, dass Frau Zschäpe den Befangenheitsanträgen nicht zustimme. Der Schriftwechsel liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Heer, Stahl und Sturm schreiben weiter, sie hätten ihre fertigen Anträge per Fax an Grasel und dessen Kanzleipartner Hermann Borchert übermittelt. Borchert fungiert zusätzlich als Vertrauensanwalt Zschäpes und wird nicht vom Staat bezahlt. Widerspruch gegen die Anträge habe es nicht gegeben.

 

Erst nach mehreren Tagen habe Grasel auf einen weiteren Antrag seiner drei Kollegen reagiert, in dem sie Richter Götzl erneut ablehnten. In einer E-Mail habe Grasel mitgeteilt, Frau Zschäpe sei lediglich mit zwei vorherigen Anträgen einverstanden.

 

Dann wiederum habe die Kanzlei Borchert einen handschriftlichen Brief Zschäpes verschickt. Sie schrieb darin, sie stehe nur hinter dem ersten Befangenheitsantrag dieser Serie, der am bisher letzten Prozesstag am 9. März in der Verhandlung gestellt wurde. Alle anderen Anträge seien „nicht mir mir abgesprochen“ und entsprächen nicht „meinem Willen oder Wunsch“.

 

Das weisen Heer, Stahl und Sturm zurück. Sie hätten sich jederzeit mit Zschäpes Vertrauensanwälten abgestimmt und „keinen Anlass“ gehabt, an deren „Ermächtigung, für sie zu sprechen, (…) zu zweifeln.“ Eine „ordnungsgemäße Verteidigung von Frau Zschäpe“ sei jetzt nicht mehr möglich. Entweder maßten sich „Grasel und Borchert eine ihnen tatsächlich nicht verliehene Entscheidungskompetenz an“ oder aber Zschäpe bezichtige sie „erneut wider besseren Wissens der Verletzung berufsrechtlicher Pflichten“.

 

Rechtsanwalt Grasel war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Rechtsanwalt Borchert wollte keine Fragen beantworten. Das Gericht plant, den NSU-Prozess am Mittwoch fortzusetzen.
Zschäpe ist seit Mai 2013 wegen Mittäterschaft an den Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ angeklagt. Dazu gehören neun Morde an türkisch- und griechischstämmigen Zuwanderern.

 

dpa

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