Die bayerischen Landkreise rufen um Hilfe. Sie sehen ihre Kapazitäten bei der Aufnahme von Flüchtlingen erschöpft. „Wenn die Politik keine Grenzen setzt, wird die Bevölkerung der Politik Grenzen setzen“, sagt Horst Seehofer.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) legt die politische Verantwortung für die Flüchtlingskrise in die Hände des Bundes. Anlass sind die Nöte Bayerns bei der Unterbringung von täglich mehreren tausend Menschen, die über die österreichische Grenze kommen.
„Ich kann nur sagen, ich möchte diese Verantwortung nicht mehr tragen“, sagte Seehofer nach einem Krisentreffen mit den Kommunalpolitikern der Grenzregion zu Österreich am Mittwochabend in Deggendorf. „Wenn die Politik der Zuwanderung keine Grenzen setzt, wird die Bevölkerung der Politik Grenzen setzen.“ Eine Begrenzung der Zuwanderung sei „politisch unumgänglich und die einzig verantwortbare Lösung“.
Nach Angaben des bayerischen Landkreispräsidenten Christian Bernreiter (CSU) gehen die Unterbringungsmöglichkeiten rapide zur Neige. „Das Ende ist absehbar“, sagte Bernreiter. „Es gibt keine Container mehr, es gibt keine Betten mehr, es gibt keine Zelte mehr.“ Das sei kein bayerisches Problem, sondern betreffe die Landkreise im gesamten Bundesgebiet.
„Deutschlandweit hat man den Ernst der Lage überhaupt nicht verstanden“, kritisierte er. Täglich überschritten im Schnitt 7000 Menschen die Grenze, im Monat September seien es 225 000 gewesen. Das bedeute, dass die Kommunen die Unterbringungsmöglichkeiten bis Weihnachten noch einmal verdoppeln müssten.
Einen einseitigen bayerischen Aufnahmestopp verkündete Seehofer nicht. Stattdessen vereinbarte die Runde, sich in den nächsten Wochen mit provisorischen Notmaßnahmen zu behelfen. Dazu gehört unter anderem die Beschlagnahme weiterer Turnhallen. Seehofer forderte den Bund auf, sämtliche Bundesliegenschaften einschließlich aktiver Bundeswehr-Kasernen zur Verfügung zu stellen und dort in Eigenregie Flüchtlinge unterzubringen.
Darüber hinaus forderte Seehofer eine Verdopplung der Züge, die Flüchtlinge aus Bayern in andere Bundesländer bringen, sowie Gespräche des Bunds mit Österreich, um die Weiterleitung von Flüchtlingen aus dem Nachbarland nach Bayern zu beenden.
Bereits begonnen haben nach Seehofers Angaben die „konzeptionellen Vorbereitungen“ für die Einrichtung sogenannter Transitzonen, aus denen chancenlose Arbeitsmigranten so schnell wie möglich abgeschoben oder zur freiwilligen Ausreise veranlasst werden sollen. Da sagte der CSU-Chef am Nachmittag in München. Seehofer hofft, dass diese Schnellabschiebeeinrichtungen schnellstmöglich in Betrieb gehen, wollte aber keine Prognose abgeben.
Transitzonen könnten nach EU-Recht auch im Landesinneren eingerichtet werden, sagte Innenminister Herrmann mit Blick auf potenzielle Proteste der Grenzkommunen gegen die Einrichtung neuer gigantischer Unterkünfte. „Ich gehe nicht davon aus, dass die Transitzonen mit Zehntausenden Menschen überfüllt würden.“ Flüchtlinge, die Chancen auf Anerkennung haben, sollen dort nach den Worten des Innenministers nicht untergebracht werden. Zuständig für den Betrieb wäre der Bund.
Seit Jahresbeginn haben die bayerischen Behörden rund 10 000 abgelehnte Asylbewerber zur Heimkehr veranlasst oder abgeschoben, wie Herrmann sagte. Damit liege Bayern gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen vorn. Der Innenminister geht davon aus, dass sich das Tempo der „Rückführungen“ in den nächsten Wochen beschleunigen wird. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe zugesagt, wesentlich mehr Ablehnungsbescheide zu verschicken.
rg / dpa