Seit Jahren steht ein zweiter S-Bahn-Tunnel in München zur Diskussion. Die Finanzierung ist inzwischen geregelt. Bei einem Spitzengespräch am Mittwoch sollen weitere Details festgelegt werden.
München – Von Frühjahr an sollen endlich die Bagger rollen: Es geht voran mit der Planung für die zweite S-Bahn-Röhre in München. Es ist das derzeit größte Verkehrsprojekt in Bayern. Am Mittwoch wollen Ministerpräsident Horst Seehofer, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (beide CSU) und Bahnchef Rüdiger Grube bei einem Spitzengespräch die nächsten Schritte festzurren.
Die Strecke durch die Innenstadt ist chronisch überlastet. Dort bündeln sich alle S-Bahnlinien. Deshalb limitiert die knapp elf Kilometer lange Trasse zwischen Pasing im Westen und dem Ostbahnhof den Takt – und der ist angesichts des stetigen Bevölkerungszuwachses in der Landeshauptstadt längst an der Kapazitätsgrenze. Derzeit werden dort rund 840 000 Fahrgäste pro Tag befördert. Dabei war die Strecke beim Bau vor den Olympischen Spielen 1972 in München auf rund 250 000 Passagiere ausgelegt. Derzeit fahren 30 Züge pro Stunde und Richtung. Mit der zweiten Röhre sollen perspektivisch bis zu 54 Zugfahrten möglich sein. Legt bisher eine Störung im Tunnel oft den S-Bahnverkehr in der Innenstadt lahm, soll der zweite Tunnel einen Bypass bieten und den Verkehrsfluss sichern.
Zwischen den Bahnhöfen Laim im Westen und Leuchtenbergring im Osten soll die rund zehn Kilometer lange zweite Stammstrecke entstehen. Kernstück ist ein sieben Kilometer langer Tunnel zwischen Haupt- und Ostbahnhof. Der erste Spatenstich ist für den 5. April 2017 geplant. Die ersten Züge sollen voraussichtlich im Dezember 2026 rollen.
Einschließlich eines Risikopuffers von rund 670 Millionen Euro soll das Mammutprojekt rund 3,85 Milliarden Euro kosten. Ohne die Risiken, etwa durch Lohnsteigerungen bei den Baufirmen oder teureres Material, liegen die voraussichtlichen Kosten laut bayerischem Verkehrsministerium bei knapp 3,18 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2012 ging der damals von allen Beteiligten beschlossene Kostenplan noch von 2,05 Milliarden Euro aus.
Darüber gab es ein jahrelanges Hick-Hack. Inzwischen ist entschieden: Gut 1,55 Milliarden Euro werden von der Bundesregierung übernommen, das Land Bayern stemmt rund 1,29 Milliarden Euro, die Stadt rund 160 Millionen Euro. Die Bahn beteiligt sich mit circa 180 Millionen Euro.
Tatsächlich sind am Verwaltungsgericht München noch Klagen gegen den Bauplan anhängig. Zumindest Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) rechnet aber nicht mit juristischen Problemen: «Wir sehen ohnehin keinen Anlass für große Bürgerproteste», sagte er im Oktober.
Ja, das Projekt ist nicht unumstritten. Die Grünen im Landtag etwa lehnen den zweiten Tunnel ab. Während das Ministerium argumentiert, ohne die zweite Stammstrecke würde es wenig bringen, die S-Bahn-Außenäste auszubauen, argumentieren die Grünen genau andersherum: Es sei nicht ausreichend, eine zweite Stammstrecke zu bauen, um dann festzustellen, dass auf den Außenstrecken trotzdem nicht mehr Züge fahren könnten. Sie favorisieren deshalb einen Ausbau des Südrings als neue Stammstrecke. Damit wäre bis 2030 ein Zehn-Minuten-Takt im Münchner S-Bahn-Verkehr sowie die Verdopplung der Fahrgastzahlen auf mehr als 1,5 Millionen am Tag möglich, argumentieren sie. Angesichts des Zuzugs in den Speckgürtel seien die Fahrgastzahlen seit 1973 vor allem außerhalb der bestehenden Stammstrecke stark gestiegen. Deshalb seien Arbeiten am gesamten Streckennetz nötig. Teil des Grünen-Konzepts ist auch ein Express, der in weniger als 18 Minuten zwischen Hauptbahnhof und Airport pendeln soll.
dpa/lby