Mi, 11.04.2018 , 10:03 Uhr

Ja, ich will - aber ohne Gottes Hilfe

Immer mehr Paare verzichten bei ihrer Hochzeit auf den Gang zum Altar und entscheiden sich für eine freie Trauung – auch im konservativen Bayern. Ein Verzicht auf Gottes Segen bedeutet nicht immer einen fehlenden Glauben.

 

„So wird es immer schon gemacht“. Ein Credo, auf das Tamara und Philipp bei der Planung ihrer Hochzeit keine Lust hatten. Floskeln und Standards gehören nicht zu ihrem Lebensstil, wie die künftige Braut erklärt: „Wir möchten uns an unserem besonderen Tag nicht verstellen.“ Es soll eine individuelle Zeremonie sein, ungezwungen, an einem besonderen Ort. Deshalb entschied sich das Paar aus dem Landkreis Rosenheim für eine freie Trauung, ohne Gottesdienst, ohne Kirche.

 

 

Der Trend zur „Freien Trauung“

 

Tamara und Philipp sind eines von vielen Paaren, die sich für eine Trauung ohne kirchlichen Segen entscheiden – ein Trend auch in Bayern. „Als wir 2009 mit den freien Trauungen angefangen haben, mussten wir zunächst erklären, was das ist“, sagt Markus Schäfler, freier Theologe aus Buchloe (Landkreis Ostallgäu). Mittlerweile suchten Paare ausdrücklich nach Angeboten. „In unserer ersten Zeit wurde der Begriff hauptsächlich mit einer Trauung im Freien in Verbindung gebracht“, sagt seine Frau Silvia, ebenfalls freie Theologin.

 

Eine steigende Nachfrage bemerkt auch Susanne Steinherr, die eine Hochzeitsagentur in München betreibt: „Ich habe das Gefühl, dass die freie Trauung in den Großstädten schon länger angekommen ist und sich nun auch in den ländlichen Gegenden und kleineren Städten ausbreitet.“ Gerade in diesem Jahr sei ihr in diesen Regionen eine steigende Anzahl aufgefallen.

 

Gottesglaube: ja, vor den Altar: nein

 

Die Beweggründe, auf das christliche Ehe-Sakrament zu verzichten, ähneln sich oft. „Die meisten Paare sagen, dass sie einfach keinen Bezug zur Kirche haben“, sagt Patrick Ehrenspeck, freier Trauredner aus Mallersdorf-Pfaffenberg (Landkreis Straubing-Bogen). Das bedeute aber nicht, dass kein Gottesglaube vorhanden sei. Aber wer es gerade einmal zu Weihnachten in die Kirche schaffe – und das meist nur der Familie wegen – wolle die Hochzeit so feiern, wie er es für richtig halte.

 

„Die freie Trauung ist durchaus eine Alternative für gläubige Paare“, sagt Silvia Schäfler. Wünschen die Eheleute sakrale Elemente, könne man als Theologe auch Gebete oder einen Segen in die Zeremonie einbringen. Meist sei aber der Wunsch nach einer persönlichen Trauung, die selbst mitgestaltet werden kann, einer der häufigsten Gründe. „Viele Paare wünschen sich eine persönliche Trauung, in der es um das Brautpaar und nicht um religiöse Texte gehen soll“, sagt Agenturinhaberin Steinherr.

 

Freie Trauungen sind oft persönlicher

 

Auch wenn Rituale dem kirchlichen Ablauf oft ähneln, etwa der Ringtausch oder das „Ja, ich will“, seien sie bei der freien Trauung meist persönlicher auf das Paar zugeschnitten, weiß Traumeisterin Anja Hackl aus München: „Ich frage meine Paare so lange nach ihren Lebens- und Liebesepisoden aus, bis eine Idee entsteht, die diese Verbindung noch bekräftigt.“

 

Auch die Palette der gewünschten Trau-Orte ist bunt: Von blühender Obstbaumwiese über sonniger Waldlichtung oder dem eigenen Garten bis hin zur Dachterrasse hoch über der Lieblingsstadt ist fast alles möglich. Es gibt auch Trauredner, die nur im Ausland trauen, in der Karibik oder auf Mallorca. Doch eine Grenze gibt es für jedes Paar, wie Hackl erklärt: „Eine freie Trauung ersetzt nicht das Standesamt.“

 

Kirche fürchtet keine Konkurrenz

 

Die katholische Kirche in Bayern bemerkt diesen Trend, sieht ihn aber nicht als Konkurrenz. „Es gibt junge Leute, die eine Ehe, so wie sie die katholische Kirche definiert, nicht wollen“, sagt Thomas Schlichting, Leiter der Seelsorgeverwaltung der Erzdiözese München und Freising. „Doch Menschen, die das Sakrament der Ehe ganz bewusst wollen, kommen natürlich nur zu uns.“ Dennoch erlebe er bei Trauungen immer häufiger, dass es eine Öffnung vonseiten der Kirche gibt. „Es gelingt schon, zu vermitteln, dass wir nicht einem starren Ablauf und Ritus folgen, sondern es durchaus Gestaltungsmöglichkeiten gibt, etwa die Einbeziehung der Verwandten in die Zeremonie.“

 

Eine wachsende Beliebtheit freier Trauungen kann die evangelische Kirche im Freistaat zwar nicht beobachten,  „aber bei der Hochzeitsmesse merken wir, dass es neben den Kirchen auch andere Anbieter für Trauungen gibt“, sagt Sprecher Johannes Minkus. Doch eine kirchliche Eheschließung werde von einer großen Anzahl von Christen getragen, allein durch den Gottesdienst. Das entlaste das Paar, alles alleine überlegen und inszenieren zu müssen. Die kirchliche Eheschließung sei zwar in bestimmten Punkten festgelegt. Allerdings sei sie auch ein Gegenmittel zur zunehmenden Vereinzelung in der Gesellschaft – „eine Entwicklung, an deren Ende häufig einsame Menschen stehen“.

 

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