Do., 10.08.2017 , 09:41 Uhr

Gerüstet für die Katastrophe – die Feuerwehr am Flughafen München

Mehr als 40 Millionen Liter Kerosin lagern unter dem Flughafen. Beim Gedanken an einen Brand im Tanklager steigt der Puls des Feuerwehrchefs. Dabei bringt ihn nach siebeneinhalb Jahren am Airport München fast nichts mehr aus der Fassung.

 

Als der Alarm losgeht, hört Jörg Leiwering nur mit halbem Ohr hin. Der Gong signalisiert ihm: keine akute Gefahr! Wenige Augenblicke später bestätigt das die Durchsage. Ein Baum ist an dem stürmischen Tag auf eine Straße gestürzt. Den 55-Jährigen bringt so schnell nichts aus der Ruhe; seit siebeneinhalb Jahren ist er tagtäglich für die Sicherheit von fast 200 000 Menschen verantwortlich. Leiwering leitet die Feuerwehr des Flughafens München. «Wir haben jedes Jahr fast 5000 Einsätze. 10 bis 15 Mal am Tag gibt es hier Alarm», sagt er.

 

Kuriose Geschichten am Flughafen

 

Der Flughafen ist wie eine Großstadt. 35 000 Mitarbeiter strömen jeden Tag auf das Gelände, hinzu kommen 42 Millionen Passagiere jährlich. Es gibt Hotels, Parkhäuser, Straßen und sogar eine Brauerei. Und wie in einer Großstadt passiert ständig etwas. Verkehrsunfälle, Geburten oder auch ein Schwan auf der Landebahn. Manchmal befreit Leiwerings Mannschaft Reisende aus Fahrstühlen.

«Menschen, die wegfliegen wollen, werden sofort nervös, die kriegen Platzangst, Angst, ihren Flieger zu verpassen», sagt der Feuerwehrmann. Um alle Notfälle zu bewältigen, hat der Flughafen nach den Städten München und Nürnberg die größte Berufsfeuerwehr Bayerns.

 

Wenn der Alarm ertönt…

 

Zeitgleich mit dem Alarm gehen auf dem Flur die Türen zu den Rutschstangen auf, ein Stockwerk tiefer öffnen sich die riesigen Tore für die Fahrzeuge, innerhalb von Sekunden sind die Feuerwehrleute in ihre Einsatzkleidung gesprungen – erst in die Stiefel, darüber wird die Hose gezogen.

Ertönt statt des Gongs eine Hupe oder Sirene, muss es noch schneller gehen. Erst über Funk erfahren die Retter dann, zu welchem Notfall sie gerade ausrücken. Laut Vorschrift muss die Feuerwehr innerhalb von drei Minuten jeden Punkt auf den vier Kilometer langen Start- und Landebahnen erreichen. Das ist nur möglich, weil es für die beiden Bahnen jeweils eine eigene Feuerwache gibt.

 

Der Unterschied zur Stadtfeuerwehr wird in der Fahrzeughalle augenfällig

 

43 Tonnen schwere Löschfahrzeuge stehen für den Ernstfall bereit, jedes 1000 PS stark. Auf bis zu 145 km/h beschleunigen die Giganten. Geladen haben sie 12 800 Liter Wasser, dazu kommen 1500 Liter Schaum und 1000 Kilogramm Löschpulver. Flugzeuge, gebaut aus dünnem Aluminium, verbrennen rasend schnell. Ein Motor pumpt deshalb 6000 Liter pro Minute aus den Tanks.

In den beiden Feuerwachen gibt es zusätzlich noch «normale Einsatzfahrzeuge», wie Leiwering sie nennt. Sie rücken bei Bränden im Gebäude aus oder etwa bei umgestürzten Bäumen. Alles in allem sei sein Fuhrpark rund 30 Millionen Euro wert, rechnet Leiwering stolz zusammen. «Ich weiß, dass wir ungefähr 10 000 Besucher im Jahr nur bei der Feuerwehr haben und Menschen weltweit die Flughafenfeuerwehr kennen. Das ist verrückt.»

 

 

Uniform statt Anzug

 

Der Arbeitsalltag des Chefs besteht eher aus Abteilungsbesprechungen und Schichtübergaben. In seinem Büro beantwortet Leiwering E-Mails und verfolgt mit einer Software den Flugverkehr vor seinem Fenster. Doch bei großen Einsätzen rückt er mit aus. Etwa vergangenen Winter, als zwei Maschinen beim Enteisen eines Flugzeugs umstürzten. Der Flieger riss die 15 Meter hohen «Eisbären» samt Personal um.

«Dann steigt der Puls, das passiert auch bei einem Leiter der Flughafenfeuerwehr München immer noch nach so vielen Jahren.» Als Jugendlicher in Duisburg trat Leiwering in die Freiwillige Feuerwehr ein. Damals, vor 40 Jahren, eigentlich nur, um Zeit mit seinen Freunden zu verbringen.

 

Das klassische Gesundheitsrisiko sind Schlafstörungen

 

Viele seiner 250 Mitarbeiter sind weiterhin bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv, neben den kräftezehrenden Schichten am Flughafen. Um 7.15 Uhr beginnt die Arbeit und dauert bis 7.15 Uhr am nächsten Morgen. Für den Körper ist Schichtarbeit eine Belastung. «Das klassische Gesundheitsrisiko sind Schlafstörungen», erklärt Arbeitsmedizinerin Anette Wahl-Wachendorf. Der Rhythmus verschiebe sich und manche Menschen gelangen nur schwer wieder hinein. Auch Magen und Darm werden häufiger beeinträchtigt.

Während der Nacht können die Retter der Flughafenfeuerwehr zwar in Schlafräumen zur Ruhe kommen. Doch sie sind in ständiger Bereitschaft, jederzeit kann der nächste Alarm aus der Einsatzzentrale kommen. Dort laufen alle Notrufe und die Signale von 60 000 Feuermeldern ein. Weit mehr als 100 Meldungen orten die Mitarbeiter jeden Tag und entscheiden, welche Rettungsfahrzeuge ausrücken. Das geht so schnell, dass es auf dem Flughafen fast nur zu kleineren Bränden kommt – 120 im vergangenen Jahr.

 

Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz

 

Nach 24 Stunden auf der Wache folgt ein freier Tag, nach drei Schichten gibt es drei Tage am Stück frei. 50 Feuerwehrleute sind immer auf die beiden Wachen verteilt. Den Tag über arbeiten sie in den eigenen Werkstätten der Feuerwehr, in der Schreinerei oder der Kfz-Werkstatt. Bernhard Schwaiger schaut sich im Keller der Wache nach den Einsätzen die Lösch-Schläuche genau an. Zusammengenommen ergeben die Röhren eine Strecke von rund zehn Kilometern. Mit Hochdruckreinigern säubert Schwaiger jeden einzelnen. Um 17 Uhr schließt seine Werkstatt ebenso wie die anderen. Dann treffen sich die Kollegen im Fitnessraum, der Kantine oder den Fernsehzimmern.

 

Vertrauen ist das A und O innerhalb des Teams

 

Die 24 Stunden-Schicht ist auch zwischenmenschlich eine Herausforderung. Im Ernstfall entscheidet die Stimmung in der Truppe aber über Leben und Tod. «Man muss sich aufeinander verlassen: Auf den Kollegen, der einen abseilt, sichert, aus dem Feuer holt», erklärt Leiwering.

Nach einem Absturz ein Großfeuer löschen, etliche Verletzte aus dem Wrack retten: das kennt das Team bisher nur aus Übungen. Alle zwei Jahre schreibt die Internationale Zivilluftfahrtorganisation den geprobten Notfall vor. Mit dabei sind auch die Freiwilligen Feuerwehren der umliegenden Landkreise, der Katstrophenschutz und das Rote Kreuz. 500 bis 1000 Hilfskräfte koordiniert Leiwering dann von einem Bus aus. An Bord befinden sich ein Besprechungsraum und Funktische, der Krisenstab kann so überall tagen.

 

Kommunikation – der Schlüssel zum Erfolg

 

Kaum vorstellbar, wie die Feuerwehrleute bei einem Großeinsatz die vielen Menschen anweisen und Panik unterdrücken. Etliche Sprachen werden auf dem Flughafen gesprochen, nicht immer findet sich ein gemeinsamer Nenner. Dafür haben die Retter Einsatzkarten mit wichtigen Vokabeln dabei. «Es gibt auch die Möglichkeit, mit Augen etwas auszudrücken, ohne Sprache zu kommunzieren», ergänzt Leiwering. Für die Zukunft wünscht er sich aber mehr Fremdsprachler in seinem Team – und unbedingt mehr Frauen. Im Einsatz sind bisher nur drei.

mhz/dpa

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