Di, 02.01.2018 , 09:55 Uhr

Trotz aller Schwierigkeiten rückt das Urteil im NSU-Prozess näher

Das meiste ist geschafft. Es fehlen nur noch Plädoyers weniger Nebenkläger und der Angeklagten im NSU-Prozess. Dann kann das Urteil gegen Beate Zschäpe fallen – in einem historischen Verfahren, mit dem sich schon jetzt auch die Berliner Politik beschäftigt.

 

Das Urteil im Münchner NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mitangeklagte mutmaßliche Terrorhelfer rückt nach dem Jahreswechsel näher. Schneller als von manchen erwartet haben die meisten der Nebenkläger noch im alten Jahr ihre Plädoyers vor dem Oberlandesgericht vorgetragen. Nur noch wenige der Hinterbliebenen, Opfer und Nebenklageanwälte kamen noch nicht zu Wort, darunter die Witwe und die beiden Töchter des in München ermordeten Theodoros Boulgarides. Sie dürften an einem der ersten Verhandlungstage nach den Ferien plädieren. Weiterverhandelt wird ab dem 9. Januar.

 

Nach fast fünf Jahren erfolgt im Februar oder März dann das Urteil

 

Anschließend halten die Verteidiger der Angeklagten ihre Schlussvorträge, was voraussichtlich noch einmal einige Wochen in Anspruch nimmt. Es wäre der Abschluss eines historischen Verfahrens nach einer beispiellosen Verbrechensserie und einer ebenso beispiellosen Pannenserie bei der Fahndung nach dem NSU-Trio, das fast 14 Jahre unbehelligt im Untergrund lebte und mordete.

 

Beispiellos ist der NSU-Prozess auch wegen der Rolle, die die Nebenkläger spielen. Rund 90 Geschädigte haben sich als Nebenkläger angeschlossen – Opfer der beiden Sprengstoffanschläge des NSU in Köln, Familienangehörige aller zehn Mordopfer und ein junger Mann in Chemnitz, auf den die Terroristen nach einem Überfall schossen. Bei keinem anderen Strafprozess zuvor gab es so viele Nebenkläger, und bei keinem anderen haben sie das Verfahren derart geprägt.

 

„Blood-&-Honour“-Gruppe maßgeblich für Versteck des NSU-Trios verantwortlich

 

Zu sehen war das während der Beweisaufnahme, als ein Kern der Nebenkläger Gericht und Bundesanwaltschaft über Jahre hinweg mit Beweisanträgen unter Druck setzte. Der Weg des NSU-Trios in den Untergrund wäre sonst wohl kaum zu klären gewesen. Erst auf die Anträge hin beschäftigte sich das Gericht etwa mit der Rolle der Chemnitzer «Blood-&-Honour»-Gruppe, ohne die Zschäpe und ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wohl kein Versteck gefunden hätten.

 

Deutlich wurde die Rolle zuletzt auch bei den Plädoyers der Nebenkläger, die sich teils deutlich vom Schlussvortrag der Bundesanwaltschaft absetzten. Fast durchgängig bestritten sie, dass der «Nationalsozialistische Untergrund» nur aus den drei Personen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt bestanden habe. Da irre die Bundesanwaltschaft, das sei durch die Beweisaufnahme widerlegt.

 

Die Rolle der Nebenkläger war von Anbeginn hinterfragt worden. Doch Befürchtungen, das Verfahren sei wegen ihrer großen Zahl nicht beherrschbar, haben sich nicht bestätigt. Vielmehr legten Zschäpes Konflikte mit ihren Verteidigern und serienweise Befangenheitsanträge von Angeklagten den Prozess manchmal wochenlang lahm.

 

Gesetzliche Neuregelung für Nebenkläger in Strafprozessen

 

Gleichwohl spielen die Erfahrungen aus dem NSU-Prozess schon jetzt eine Rolle in der politischen Debatte. Bei Union und FDP gibt es Stimmen, die die Stellung der Nebenkläger in Strafprozessen neu regeln möchten, wie eine Umfrage de Deutschen Presse-Agentur unter Bundestagsabgeordneten in Wahlkreisen mit NSU-Bezug ergab. Dagegen möchte Abgeordnete von SPD und Linke die Regeln beibehalten.

 

Der bayerische FDP-Abgeordnete Stephan Thomae etwa sagte, die Dauer des Prozesses und anderer Verfahren sei mitverantwortlich für die Überlastung der Justiz. Seine Fraktion sehe darum «Handlungsbedarf über die Frage der Rolle des Opfers und seiner Rechte hinaus». Wie die Einschränkungen aussehen könnten, blieb aber offen. Dabei dürften die Rechte der Angeklagten aber nicht beeinträchtigt werden. Der Münchner CSU-Abgeordnete Bernhard Loos sagte, er halte eine Novelle des Nebenklage-Rechts «für grundsätzlich überlegenswert». Loos hatte als einziger der angefragten Unions-Parlamentarier geantwortet.

 

Rolle der Opfer und Nebenklage soll gestärkt und nicht beschnitten werden

 

Keinen Anlass für eine Reform der Nebenklage sehen dagegen mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete aus München, Dortmund und Kassel. «Wichtig ist aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion, dass die Rolle der Opfer und Nebenklage gestärkt und nicht beschnitten wird», sagte Claudia Tausend aus München. Ähnlich äußerten sich Politiker der Linken. Keine Antworten gab es aus den Fraktionen von Grünen und AfD.

dpa

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