Der Bruder von Böhnhardt, die Ehefrau von Wohlleben: Der NSU-Prozess soll mit der Befragung zweier enger Familienangehöriger fortgesetzt werden. Derweil wird bekannt, dass das Gericht mehrere Briefe der Hauptangeklagten Zschäpe beschlagnahmen will.
Im Münchner NSU-Prozess soll an diesem Mittwoch der ältere Bruder des mutmaßlichen Neonazi-Terroristen Uwe Böhnhardt als Zeuge gehört werden. Er dürfte vom Gericht unter anderem zum privaten Umfeld und zu gemeinsamen Kontakten der Brüder befragt werden. Ebenfalls als Zeugin geladen ist die Ehefrau des Angeklagten Ralf Wohlleben. Diese darf jedoch die Aussage verweigern.
Uwe Böhnhardt und seinem Komplizen Uwe Mundlos werden unter anderem zehn Morde angelastet, davon neun an Kleinunternehmern ausländischer Herkunft. Die beiden erschossen sich im November 2011, um einer Festnahme zu entgehen. Beate Zschäpe, Hauptangeklagte im NSU-Prozess, muss sich als Mittäterin bei allen Verbrechen der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ verantworten. Wohlleben ist, weil er eine Waffe besorgt haben soll, wegen Beihilfe angeklagt.
Der Prozesstag am Dienstag war wegen Unwohlsein Zschäpes und eines darauf folgenden Befangenheitsantrags gegen einen Gerichtsarzt nahezu komplett ausgefallen. Als Grund für die Übelkeit gab Zschäpe nach Angaben des Arztes eine Nachricht an, die sie unmittelbar vor Sitzungsbeginn erhalten habe. Genauere Angaben dazu machte sie nicht.
Am Dienstagabend wurde bekannt, dass das Gericht möglicherweise drei Briefe Zschäpes an einen inhaftierten Gesinnungsgenossen in Nordrhein-Westfalen beschlagnahmen will – darunter ein neues, bisher unbekanntes Schreiben von Mitte April. Hintergrund ist, dass das Münchner Oberlandesgericht eventuell ein Sprachgutachten erstellen lassen möchte, um die Co-Autorenschaft Zschäpes an einem Manifest des NSU zu klären. Dies geht nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa aus einem Schreiben des Senats mit Datum vom 2. April hervor.
Im Hinblick auf entsprechende Beweisanträge werde erwogen, drei Briefe Zschäpes als Beweismittel zur Erstellung eines solchen forensisch-linguistischen Gutachtens zu beschlagnahmen, heißt es in dem Schreiben des Gerichts. In einer Expertise im Auftrag des Magazins „Stern“ waren Fachleute 2013 zu dem Schluss gekommen, dass Zschäpe „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ Co-Autorin des NSU-Dokuments ist – was sie im Prozess weiter belasten würde. Das Papier zeugt von der rassistischen Ideologie des NSU.
Die Wissenschaftler hatten das Dokument auf sprachliche Auffälligkeiten hin untersucht und mit Briefen Zschäpes aus der Haft an den ebenfalls inhaftierten Neonazi Robin S. verglichen. Mehrere Nebenklage-Anwälte hatten daraufhin beantragt, ein linguistisches Gutachten als Beweismittel zuzulassen. Die Bundesanwaltschaft hatte nichts dagegen. Der rege Briefwechsel zwischen Zschäpe und S. war 2013 bekanntgeworden. Die Briefe der mutmaßlichen Neonazi-Terroristin hatten wegen ihres teilweise sehr intimen Inhalts Aufsehen erregt.
rr/dpa