Fr, 27.06.2014 , 09:41 Uhr

Syrische Flüchtlinge feiern im Fastenmonat die deutsche Nationalelf

Für syrische Flüchtlinge in Bayern ist es meist der erste Ramadan in der Fremde. So auch für die Familien im oberbayerischen Grafrath. Doch noch etwas macht den muslimischen Fastenmonat diesmal zu etwas Besonderem.

 

Im Gesicht des Buben sind noch die Farben Schwarz-Rot-Gold zu erkennen, die er sich am Vorabend auf seine Wangen gemalt hat. Da hat Deutschland gegen Ghana bei der Fußball-WM gespielt. „Götze ist mein Lieblingsspieler“, sagt der Zehnjährige. Wie zehntausende Kinder in Deutschland fiebert er in diesen Tagen mit den Stars. Doch der Junge spricht mit einem leichten arabischen Akzent – Fußballfan Andraos kommt aus Syrien.

 

Zusammen mit seiner Familie kam er vor anderthalb Jahren nach Deutschland, auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg in seinem Heimatland. Unbedingt wollte die Familie hierher. Zu Fuß und dann per Lkw machten sie sich von der nordöstlichen Provinz Hasaka auf den Weg, schlugen sich über die Türkei bis nach Bayern durch. Sie lieben Deutschland – und fiebern bei der WM mit der Nationalelf mit.

 

„Jedes Mal wenn Deutschland gespielt hat, haben wir über unserem Haus in Syrien die Deutschlandflagge aufgehängt“, erinnert sich die Mutter von Andraos, Jina, die wie alle anderen ihren Nachnamen nicht nennen will. Die 42-Jährige hatte den Entschluss gefasst, in die Türkei zu fliehen, nachdem ein Familienmitglied entführt wurde – von wem, weiß sie nicht.

 

Nun lebt sie mit ihren vier Kindern in einer Asylunterkunft in dem kleinen Ort Grafrath in Oberbayern, in dem auch sechs weitere syrische Familien untergekommen sind. Laut bayerischen Innenministerium leben rund 3600 syrische Flüchtlinge derzeit im Freistaat, die wie Jina Asyl beantragt haben. Hinzu kommen rund 700 Syrer, die von der Bundesregierung direkt durch ein Flüchtlingsprogramm aufgenommen und Bayern zugeteilt wurden – rund 2300 sollen noch folgen.

 

Das schwierigste ist die Sprache

 

Das Schwierigste am Neuanfang sei, Deutsch zu lernen, sagt Hussni. Der 40-Jährige sitzt neben Jina im grünen Garten der Unterkunft, arabisches Gebäck stapelt sich vor ihm auf dem Tisch. «Ich liebe Deutschland schon seitdem ich ein Kind bin und wollte unbedingt hierher», sagt er. Weil seine Heimatstadt Deir ez-Zur im Osten Syriens vom Krieg zerstört und viele Schulen geschlossen wurden, kam er vor einem Jahr mit seiner Frau Zainab und drei Kindern nach Bayern. Die gehen seitdem in Grafrath und umliegenden Ortschaften zur Schule. In perfektem Deutsch erklärt die Kleinste der Familie, die sechsjährige Reem, stolz, auch sie feuere die deutsche Nationalelf an – vor allem Mittelfeldspieler Mario Götze.

 

Pünktlich zum Start des Achtelfinales der WM am Samstag gegen Ghana beginnt für die Muslime der Ramadan. Hussnis Familie freut sich sehr auf den Fastenmonat. Sie wollen die wichtige Mahlzeit des Fastenbrechens am Abend zusammen mit den Deutschlandspielen feiern. Syrische Spezialitäten spielen im heiligen Monat eine große Rolle. Zainab will als erstes Kibbeh, arabische Fleischklöße, mit weißem Joghurt zubereiten – „damit Ramadan hell beginnt“.

 

Die Familie ist über mehrere Länder verstreut

 

Vor allem für die junge Syrerin Duha aus der Küstenprovinz Latakia ist dieser Ramadan besonders schwer. „Ich bin sehr traurig, denn der Ramadan ist ein Monat, den man mit der Familie verbringt“, sagt die 23-jährige, während ihr Tränen das Gesicht herunterlaufen. Ihre Eltern und Geschwister seien in Syrien, der Türkei und in Ägypten verstreut – nur mit ihrem Ehemann sei sie nach Deutschland geflohen, weil beide in Syrien politisch aktiv waren.

 

Auch Duha verfolgt in Grafrath mit Begeisterung die WM. Im Exil in Deutschland, weit weg von Zuhause, spielt der Fußball im Leben der syrischen Flüchtlingen eine große Rolle. „Wir unterstützen Deutschland, weil die einfach super spielen“, sagen die syrischen Jungs, bevor sie sich einen Fußball schnappen und hinter dem Haus spielen gehen. Zusammen feiern sie die Nationalmannschaft des Landes, das ihnen Zuflucht vor den Gräueln des Bürgerkriegs gewährt.

 

RG / dpa

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