Mi., 15.02.2017 , 10:26 Uhr

"Griaß di, i hob di gern" - kleine Münchner sollen bairische Sprache bewahren

Eine tote Sprache – da denkt man an Latein. Doch tot ist auch Bairisch in der Landeshauptstadt München – zumindest fast. Was noch zu retten ist, sollen jetzt die Jüngsten besorgen. Das Kasermandl steht ihnen bei.

 

 

Bairisch hat eigentlich keine Zukunft mehr in München. Sepp Obermeier vom Bund Bairische Sprache verweist auf eine Studie, der zufolge es bereits 1998 gerade noch etwa ein Prozent Bairisch-Sprecher an den Schulen der Landeshauptstadt gab. Bairisch in den Lehranstalten „ist tot, sagt auch Horst Münzinger, Vorsitzender des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte. Doch die Mundart, die auf dem Land durchaus noch präsent ist und zahlreiche Preziosen hervorgebracht hat, soll in der Millionenstadt vor dem Aussterben gerettet werden – und das nicht nur mithilfe des Internationalen Tags der Muttersprache am 21. Februar.

 

So soll der Kindergarten St. Franz Xaver im Stadtteil Trudering die Keimzelle einer neuen Generation von Bairisch-Sprechern werden. Erika Marschall, seit dem Herbst Erzieherin im Unruhestand, bietet einmal in der Woche für eine halbe Stunde Bairisch für Vier- bis Sechsjährige an. Die Eltern, viele zugezogen aus anderen Bundesländern, seien begeistert.

 

Die Kinder üben noch. „Guad Moang!“, begrüßt die Mittsechzigerin die 14 noch etwas müden Kleinen. An diesem Tag lernen sie anhand der Bilderbuchgeschichte vom bairischen Kasermandl, dem Senner, was Rahm ist – Sahne natürlich. „A Weda kimmt“, liest Marschall vor. „Was is’n des?“ „Ein Sturm!“, lautet die Antwort. „Ein Gewitter“, verbessert Marschall. Zum Schluss tanzen Buam und Madln gemeinsam: „Aber griaß di, aber griaß di, i hob di so gern, mogst du mi, mog i di, tanz ma mitanander, du und i.“

 

Auf Marschalls fröhliches „pfiat di“ antworten die Kinder dennoch mit „tschüß“. Aber schließlich laufe der Kurs erst seit Oktober, sagt Marschall. Eine Kindergarten-Oma gab den Anstoß dazu. Mit ihr zusammen arbeitete Marschall eine Art Lehrplan aus, denn passende Bücher gibt es kaum. Die Kindergärtnerin aus Niederbayern übersetzt selbst, in ein eher „münchnerisches“ Bairisch. Für Kinder, die neben der Hochsprache noch einen Dialekt sprechen, ergäben sich viele Vorteile: Sie hätten Studien zufolge einen größeren Wortschatz, ein besseres Erinnerungsvermögen und seien konzentrierter, führt Münzinger an. „Man kann damit nie früh genug anfangen.“

 

„Mundarten sind unverzichtbarer Teil der Sprachkultur und tragen entscheidend zur Ausprägung der bayerischen Identität bei“, findet auch das bayerische Kultusministerium und verweist auf Verfassung und Erziehungs- und Unterrichtsgesetz des Freistaats. Dort heißt es, „die Schüler sind […] in der Liebe zur bayerischen Heimat […] zu erziehen“.

 

Eine Aufnahme des Bairischen in die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen, wie Münzinger es sich wünscht, ist aber wohl unwahrscheinlich: Das Ministerium hatte 2015 Sprachwissenschaftler um eine entsprechende Bewertung gebeten. Demnach sei keine der in Bayern gesprochenen Mundarten, darunter auch das Bairische, eine Regionalsprache im Sinn der Charta, sondern sie seien als „Dialekte der deutschen Amtssprache“ zu sehen. In der Charta werden für Deutschland etwa Nordfriesisch und Sorbisch als Sprachen aufgeführt.

 

Für Sepp Obermeier vom Bund Bairische Sprache hat Bairisch ohnehin nur noch auf dem Dorf eine Chance. Wo es nicht mehr als die Hälfte der Kinder von Haus aus sprächen, seien auch Kurse wie der in Trudering „folkloristisches Beiwerk“. Im Gegenteil werde manchen „Bauernkindern“ der Dialekt oft im Kindergarten ausgetrieben. „Das ist zum Scheitern verurteilt in München.“ Wo sich aber Zugezogene einer bairisch sprechenden Mehrheit anschlössen, könne die Heimatsprache durchaus ein Integrationsfaktor sein.

 

Ob Kindergartenkurse tatsächlich ein Erfolg werden, müsse abgewartet werden, findet Anthony Rowley, Dienststellenleiter der Kommission für Mundartforschung an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. In Städten könnte die Sprache wohl eher nicht wieder verankert werden. Doch Prominente wie der in Bayern aufgewachsene VW-Vorstandsvorsitzende Matthias Müller oder Ministerpräsident Horst Seehofer könnten dabei helfen, Bairisch gesellschaftsfähig zu machen, findet Münzinger.

 

Insgesamt sei das Engagement der Kindergärtnerinnen dennoch positiv zu bewerten, sagt Rowley. Münzinger hofft auf Nachahmer in Kindergärten. Ist alles Bemühen aber nicht nur ein Tropfen auf dem heißen Stein? „Das kann man so sehen, wenn man Pessimist ist“, räumt Münzinger ein. Um anzufügen: „Bayern san Optimisten.“

 

dpa

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